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Sachsen testet schnellen Mobilfunk am Traktor

Wird die neue 5G-Technologie ausgerechnet auf dem Acker gebraucht? Dresdner Experten wollen vorn dabei sein.

Lesedauer: 3 Minuten

Trecker fahren kann Spaß machen. Wenn es nach Thomas Herlitzius geht, steuert künftig ein einziger Traktorfahrer einen ganzen Schwarm von Landmaschinen. Der Feldschwarm aus flexiblen und leichten Geräten wird den Acker schonend bearbeiten, Düngemittel und Pflanzengift exakt und sparsam verteilen. Professor Herlitzius und seine Dresdner Agrarsystemtechnik-Studenten experimentieren schon lange mit der Schwarmtechnologie. Künftig soll ihnen der schnelle Mobilfunk 5G neuen Schub geben. Sachsens Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU) kündigte am Donnerstag ein "Experimentierfeld 5G in Land- und Forstwirtschaft" an. Dazu gehören Robotertechnologien, die hohe Datenübertragungsraten brauchen. Dabei sagte kürzlich Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU), der Ausbau des schnellen Internets mit dem neuesten Standard 5G müsse nicht "bis zu jeder Milchkanne" erfolgen.

Doch die Landtechniker setzen große Hoffnung auf die Technologie. Professor Herlitzius will "vorne dran sein" und rechnet damit, dass es die bisherigen Funktechnologien in wenigen Jahren nicht mehr gibt. Der große Vorteil von 5G sei die Kommunikation "in Echtzeit". Die Autoindustrie schwärmt davon, wenn sie Fahrzeuge autonom fahren und rasch aufeinander reagieren lassen will. Doch braucht das auch der Traktor? Peter Pickel, als Manager des Landmaschinenherstellers John Deere an der Diskussion in Dresden beteiligt, ist "erst mal" mit der vorhandenen Funktechnologie LTE zufrieden. Doch auch er fordert 5G für den ländlichen Raum. Er halte für Landtechnik schnelle Reaktionszeiten für nötig. Auch der Feldschwarm müsse rasch stoppen können – und habe sehr viele Daten zu übertragen. Schließlich müsse bald jede Pflanze "als Individuum" mit Nährstoffen versorgt werden. Sachsen sei eine geeignete Gegend für Demonstrationsvorhaben.

Bauern brauchen Datenschutz Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft und Duz-Freund von Minister Schmidt, kennt die Chancen und die Risiken der neuen Technologie. "Natürlich muss 5G nicht an jeder Milchkanne sein", sagte er zu der Diskussion. Doch Datenübertragung in Echtzeit sei ein "sehr großes Thema" – ein anderes die Datensicherheit. Die Landwirte müssten sich darauf verlassen können, dass niemand ihre Geräte hackt und statt Dünger Gift verstreut. Im Iran sei es Amerikanern gelungen, Technik aus der Ferne abzuschalten, sagte Pickel. Ein großer Teil der Forschung müsse auf dem Datenschutz liegen, betonte auch Herlitzius. Die Nutzer müssten entscheiden, wo ihre Daten verarbeitet werden: "Eine Cloud in Kalifornien wollen wir nicht so gerne". Doch die Forschung dürfe auch nicht Bedenkenträgern "das Feld überlassen". Zum Test gehörten auch Fehler.

Minister Schmidt sieht das Experimentierfeld 5G als Teil einer sächsischen Forschungsreihe namens Simul plus Innovation Hub. Er wolle "nicht den Eindruck erwecken, wir starten ein 5G-Anwendungsfeld ganz alleine". Sein Ziel sei nicht, als einer der ersten die neue Technologie einzusetzen. Er wolle die Belastung von Boden, Wasser und Luft reduzieren und eine hohe Qualität in der Landwirtschaft erreichen. Dafür müsse die passende Technik gefunden werden. Fortschritt und Begeisterung seien besser als neue Vorschriften, um etwas voranzubringen. "Wir brauchen nicht für alles 5G", sagte Schmidt.

Bereits seit zwei Jahren bemüht sich Schmidts Ministerium mit der Initiative Simul plus, der Landwirtschaft ein moderneres Image zu geben. Tagungen und ein Ideenwettbewerb fanden schon statt, nun folgen die Forschungsvorhaben. 8,6 Millionen Euro sind im Landeshaushalt für die nächsten zwei Jahre vorgesehen, Schmidt verhandelt mit dem Bund über zusätzliches Geld. "Nicht nur jammern, sondern Lösungen finden", gibt er als Parole aus. In Sachsen sei die Aufgeschlossenheit für Technik möglicherweise größer als in anderen Bundesländern, anderswo kenne er ein solches Forschungsvorhaben nicht.

Ernten statt bremsen Insgesamt 40 Projekte stehen in der Übersicht für den Simul plus Innovation Hub. Es gab mehr als 50 Ideen, berichtet Stabsstellenleiter Ronny Zienert. Ein Teil der Tests soll im landeseigenen Versuchsgut Köllitsch bei Torgau stattfinden. In der Milchviehhaltung gibt es schon viele technische "Insellösungen" mit Robotern, die verbunden werden müssten. Das sagt auch der Doktorand Michael Polster, der als Assistent der Geschäftsführung in einem großen Agrarbetrieb bei Chemnitz arbeitet, in der Multi-Agrar Claußnitz. Dort gab es Digitalisierung schon in den 80er-Jahren, seit die Futterzuteilung automatisch an die Zahl der Kühe im Stall angepasst wird. Polster weiß, dass der Fortschritt Zeit braucht. Autonomes Fahren auf dem Acker hält er für schwieriger als auf der Straße – dort gebe es einfache Verkehrsregeln, auf dem Feld dagegen bedeute ein Maiskolben nicht bremsen, sondern ernten.

 

 

Von Georg Moeritz

Foto: Christian Juppe

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