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So will die Leag ihr Braunkohlekraftwerk in Boxberg ersetzen

Das Kohlekraftwerk im sächsischen Boxberg soll nicht auf Erdgas umgestellt werden, anders als Schwarze Pumpe und Lippendorf. Was die Leag stattdessen plant.

Lesedauer: 4 Minuten

In Boxberg dampfen die jüngsten Braunkohlekraftwerksblöcke Deutschlands.
In Boxberg dampfen die jüngsten Braunkohlekraftwerksblöcke Deutschlands. Besitzer Leag macht Pläne für die Zeit nach der Kohle. © Archivfoto: Wolfgang Wittchen

Von Georg Moeritz

Dresden. Ein riesiger Stromspeicher in der Lausitz: Mit Wasserstoff und großen Batterien will der Energiekonzern Leag den Kraftwerksstandort Boxberg in Sachsen weiter nutzen, wenn keine Kohle mehr verbrannt werden darf. In fünf Jahren sollen die ersten Anlagen betriebsbereit sein – Ende 2028. Über die nächsten Schritte berichtete am Mittwoch in Dresden der Wirtschaftsingenieur Daniel Kosel, der bei der Leag zuständig für den Aufbau der neuen Öko-Kraftwerke und der Speicher ist.

Kosel sagte beim Kraftwerkstechnischen Kolloquium der TU Dresden, die Leag wolle möglichst auch in Zukunft rund zehn Prozent des deutschen Strombedarfs abdecken – wie jetzt. Der sächsische Standort Boxberg soll laut Leag zu einem „nachhaltigen, grünen Energiestandort“ entwickelt werden. Kosel erinnerte daran, dass spätestens 2038 die Kohleverbrennung in Deutschland endet. Auf dem Kolloquium hatten darüber am Tag zuvor Politiker diskutiert. Die Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang sagte, Kohle werde sich schon weit vor 2038 nicht mehr lohnen. Der ehemalige sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) erinnerte an den Kohlekompromiss und beklagte mangelnde Planungssicherheit.

Das Braunkohlekraftwerk Boxberg hat voriges Jahr 18 Milliarden Kilowattstunden Strom ins Netz eingespeist, so viel wie kein anderer Leag-Standort. Dort stehen die jüngsten Kraftwerksblöcke, und sie sollen mit als letzte abgeschaltet werden. Die Leag plant „eine Flotte hochflexibler Kraftwerke“. Bis 2030 sollen drei Gigawatt Stromleistung installiert sein, bis 2040 dann 4,5 Gigawatt – so viel Power stecke heute in etwa sieben Braunkohlekraftwerksblöcken.

Boxberg soll grünen Wasserstoff statt Erdgas nutzen

In Schwarze Pumpe an der sächsisch-brandenburgischen Grenze und in Lippendorf bei Leipzig plant die Leag Erdgaskraftwerke, die später auf Wasserstoff umgerüstet werden sollen. Für Boxberg dagegen ist laut Kosel kein Erdgas vorgesehen. Dort sollen Wasserstoff und große Batteriespeicher genutzt werden. Das Ziel sei CO₂-freie Energie, auf die man sich rund um die Uhr verlassen kann. Die Leag nennt das Konzept für Standorte wie Boxberg H2UB. Dieses Kürzel besteht aus der Abkürzung H2 für Wasserstoff und dem englischen Wort Hub für Nabe oder Knotenpunkt.

Der Ingenieur Daniel Kosel ist für die neuen Kraftwerke und Batteriespeicher der Leag zuständig.© SZ/Georg Moeritz

Kosel betonte in Dresden, das H2UB-Konzept verzichte vollständig auf fossile Energien. In Boxberg würden „keine Versuchsanlagen“ gebaut, sondern von Anfang an echte Industrieanlagen. Aber geplant würden „Module“. Das Konzept für den Beginn sieht eher geringe Leistung vor, doch es gibt Platz für Erweiterungen je nach Bedarf und Finanzen.

Boxberg wird laut Leag „das erste Flexibilitätskraftwerk seiner Art“. Es soll von Anfang an „grünen Wasserstoff“ nutzen, also Wasserstoff, der mithilfe von Ökostrom hergestellt wird. Im Kernnetzplan für das deutsche Wasserstoffnetz sei der Standort berücksichtigt. Boxberg solle „grüne Grundlast“ zur Verfügung stellen, also Energie zu jeder Zeit, nicht nur bei Sonnenschein und genügend Wind.

Batteriespeicher mit 50 Megawatt

Die Leag plant für das erste Modul in Boxberg eine Brennstoffzelle mit einer elektrischen Leistung von zehn Megawatt. Das ist winzig verglichen mit dem heutigen Kohlekraftwerk mit bis zu 2.575 Megawatt. Doch Kosel betont die Modulbauweise, die Erweiterungen zulasse. Neben den Kühltürmen der Kraftwerksblöcke N und P sei ausreichend Platz.

Ein vereinfachtes Schaubild der Leag für die Zukunft des Standorts Boxberg: Erneuerbare Energie speist Wasserstoff-Produktion und Batteriespeicher.© Screenshot: Georg Moeritz

Zur Wasserstoffproduktion ist eine Elektrolyse mit zunächst 110 Megawatt Kapazität vorgesehen. Das entspricht 2,1 Tonnen Wasserstoff pro Stunde. Der Wasserstoff soll auch Industriekunden angeboten werden. Laut Kosel wird von den verschiedenen Elektrolyse-Technologien voraussichtlich die PEM-Membran ausgewählt, weil sie auch bei Teil-Lastbetrieb gute Qualität liefere. Der Generalplaner dürfe aber das Konzept noch verbessern. Der Elektrolyseur wird voraussichtlich nur etwa 1.500 Stunden pro Jahr in Betrieb sein, da er Ökostrom dann speichern soll, wenn er nicht sofort benötigt wird.

Das Wasserstoffkraftwerk soll laut Plan ab Ende 2028 betrieben werden und ist auf 20 Jahre Betrieb ausgelegt. Daneben sollen Batteriespeicher in den Jahren 2026 und 2027 in Betrieb gehen. Sie haben laut Plan eine Kapazität von 50 Megawatt und sollen fünf Stunden lang geladen oder entladen werden können. Das H2UB Boxberg soll laut Kosel auch Wärme liefern, aber noch seien keine konkreten Anwendungen geplant.

Fördergeld für den Strukturwandel schon beantragt

Die Leag hat für das H2UB in Boxberg laut Kosel bereits Fördermittel beim Freistaat Sachsen beantragt. Das Geld soll aus dem Just Transition Fonds kommen, einem Fonds für Unternehmen zur Bewältigung des Kohle-Ausstiegs und Strukturwandels. Über den JTF stehen in Sachsen bis 2027 insgesamt 645 Millionen Euro bereit. In die Oberlausitz sollen 375 Millionen Euro fließen, 200 Millionen Euro gehen ins Mitteldeutsche Braunkohlerevier, 70 Millionen Euro nach Chemnitz.

Die Leag hatte bereits angekündigt, dass in der Nähe des Kraftwerks ein Solarpark Kraftwerk Boxberg gebaut wird – auf einer rund 23 Hektar großen landwirtschaftlichen Rekultivierungsfläche des Tagebaus Nochten geplant. Er soll über eine Gesamtleistung von 25 Megawatt bei gutem Wetter verfügen. Nächstes Jahr soll er in Betrieb gehen.

Die Leag geht nach eigenen Angaben davon aus, dass bis 2030 mehr als 1.000 Mitarbeiter direkt oder mittelbar mit dem neuen Standbein Erneuerbare Energien zu tun haben werden. Die „Gigawatt-Factory“ mit Wind- und Solaranlagen werde ein Jobmotor der Lausitz, denn ein gesichertes und preisstabiles Grünstrom-Angebot sei ein entscheidender Faktor für Industrieansiedlungen im Strukturwandel.

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