Leipzig. Ein Rundbau mit Glasfronten, dahinter ein schlichtes Bürogebäude – der Hauptsitz des Leipziger Unternehmens Senec wirkt von außen unspektakulär. Im Inneren arbeiten die Mitarbeiter umtriebig, Telefone klingeln – so ist das eben in einem Großraumbüro, sagen sie dort. Es wirkt in der Tat gewöhnlich, doch blickt man hinter die Kulissen, zeigt sich schnell: An einen normalen Alltag war bei Senec in den vergangenen Jahren nicht immer zu denken.
Speicherbrände brachten das Leipziger Tochterunternehmen der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) deutschlandweit in die Schlagzeilen. Der Fall beschäftigt längst nicht nur die Branche, sondern auch darüber hinaus: Es geht um verunsicherte Kunden, eine Austauschaktion im großen Maßstab – und die zentrale Frage: Wie sicher sind Solarspeicher, die für die Energiewende eine Schlüsselrolle spielen?
Senec reagiert nach Speicherbränden
Die Diskussion um Senec begann 2022: Da wurden drei Vorfälle bekannt, bei denen Batteriespeicher des Unternehmens in Brand gerieten. Zu einer Explosion kam es in der Nähe von Ravensburg: Im Feuerwehrbericht ist zu lesen, wie die Einsatzkräfte beim Eintreffen ein „stark verrauchtes Haus“ vorfanden. „Wie sich herausstellte, detonierte der im Keller verbaute Batteriespeicher durch einen technischen Defekt“, heißt es. Eine Druckwelle drückte mehrere Fenster und Türen nach außen.
Das Leipziger Unternehmen reagierte: Aus der Ferne wurden Tausende Speicher abgeschaltet, später mit gedrosselter Kapazität wieder in Betrieb genommen. Doch das Problem war damit nicht vom Tisch: 2023 gab es Berichte über weitere Brände – trotz Sicherheitsfunktionen, die man entwickelt hatte, berichtete seinerzeit das „PV-Magazin“. Senec schränkte die Kapazität bestimmter Modulgenerationen erneut ein.

Quelle: Senec
In Sachsen sind Tausende Haushalte betroffen
Im Jahr 2023 fiel schließlich die Entscheidung für eine großangelegte Austauschaktion: 100.000 ausgelieferte Speicher werden auf die neue LFP-Technologie (Lithium-Eisenphosphat-Zellen) umgerüstet.
Nach Beginn Mitte 2024 sei die Hälfte der betroffenen Systeme inzwischen ausgetauscht worden, sagt Unternehmenschef (CEO) Johann Georg von Hülsen. „Unser Ziel ist es, den Austausch im Sommer abzuschließen.“ In Sachsen sind nach Unternehmensangaben knapp 3800 Speichersysteme vom Austausch betroffen, ein gutes Drittel ist demnach geschafft.
Senec: Speichertausch richtiger Schritt
Die Austauschaktion ins Leben zu rufen, so macht es die Unternehmensführung im Gespräch mit dieser Zeitung klar, war der richtige Schritt. „Uns war und ist wichtig, unsere Kunden nicht allein zu lassen. Sicherheit und Qualität stehen für uns an erster Stelle“, sagt Finanzchef (CFO) Thomas Augat.
Doch als Senec zwischenzeitlich den Betrieb der Speicher einschränkte, führte das mitunter zu Frust unter Besitzern. Senec entschied sich zwar für Kulanzzahlungen, doch Kunden klagten mitunter erfolgreich auf Rückerstattung des Kaufpreises.
Kosten im dreistelligen Millionenbereich
Senec-Chef von Hülsen berichtet von Kanzleien, die gezielt versuchten, Kunden zu Klagen zu bewegen. „Wir sehen uns einer regelrechten Kampagne einzelner Anwälte ausgesetzt”, sagt er. Doch letztlich hätten nur ein Prozent der Kunden tatsächlich geklagt.
Auch finanziell ist die Aktion eine Herausforderung: „Die Kosten für den Feldaustausch liegen im mittleren dreistelligen Millionenbereich“, sagt der CEO. „Ohne die Unterstützung unseres Anteilseigners EnBW hätte Senec diese Herausforderung nicht bewältigen können.“
Darüber hinaus hat die Krise weitere Spuren hinterlassen. Wie das Handelsblatt unter Berufung auf Marktforscher berichtet, ist der Marktanteil von Senec von einst 15 bis 20 Prozent deutlich eingebrochen.
Die Kosten für den Feldaustausch liegen im mittleren dreistelligen Millionenbereich. – Johann Georg von Hülsen, CEO von Senec
Die Frage, wie es zu den Speicherbränden kommen konnte, bewegt derweil die Branche – und reicht über Senec hinaus. Befürchtet wird ein Image-Problem – denn nicht allein Senec-Speicher brannten: 2023 kam es in Deutschland insgesamt zu 49 Bränden oder Rauchentwicklung bei PV-Speichern; im vergangenen Jahr waren es 57 Vorfälle.
Wie es zu den Bränden kam
Diese Zahlen nennt auf Nachfrage Ralf Haselhuhn von der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie, der die Berichte gesammelt hat. Ob die Speicher in jedem Fall ursächlich gewesen waren, könne er zwar nicht mit Bestimmtheit sagen. „Bei den meisten Fällen ist das jedoch sehr wahrscheinlich.“
Senec selbst führt die Probleme der betroffenen Modelle auf unerwünschte Alterungseffekte einzelner Zellen bestimmter Modulgenerationen zurück – im schlimmsten Fall kann das einen Brand auslösen. Auf der Website schreibt das Unternehmen, es handele sich um ein „allgemeines Technologie-Risiko“. Die Module entsprächen dem anerkannten Stand der Technik, und die im gesamten Markt zu beobachtenden Fälle lägen im statistischen Rahmen technischer Restrisiken.

Quelle: Senec
Forscher: Speicherbrand ist äußerst unwahrscheinlich
Auch Forscher der RWTH Aachen bestätigen in einer Studie die grundsätzliche Sicherheit von Batteriespeichern: Die Wahrscheinlichkeit eines Speicherbrandes liegt bei nur 0,0049 Prozent pro Jahr – 50-mal geringer als bei allgemeinen Hausbränden. Auch im Vergleich mit Elektrofahrzeugen und Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor wiesen die Speicher „ein signifikant geringeres Risiko auf“.
Vor Kurzem erst gab es dann neue Aufregung um die Senec-Speicher. Im Internet machten Gerüchte die Runde, wonach auch Geräte der neuen LFP-Generation von Bränden betroffen gewesen seien. Senec wies diese Behauptungen vehement zurück: Bei keinem der Fälle seien Geräte der neuen Generation verbaut gewesen. Finanzchef Augat sagt: „Wir haben uns entschieden dagegen gewehrt, da diese Behauptungen schlichtweg falsch sind.“
Senec steht in Leipzig vor weiteren Herausforderungen
Die Leipziger hoffen, das Kapitel Speichertausch bis Mitte des Jahres abzuschließen. Auch darüber hinaus sieht sich das Unternehmen mit Herausforderungen konfrontiert – nach einem Boom, der die Branche 2022 und 2023 erfasst hatte. „Während des Booms haben viele Unternehmen ihre Kapazitäten massiv ausgebaut – das hat den Wettbewerb verschärft und dann zu einem Preisverfall geführt“, sagt Finanzchef Augat.
Von einer „umfassenden Transformation“ spricht CEO von Hülsen: So drängten auch asiatische Anbieter mit günstigen Produkten auf den Markt und überschwemmten ihn förmlich.
200 Stellen gestrichen
SENEC habe daher seine Strukturen genau analysiert. Im vergangenen Jahr entschieden sich die Leipziger für personelle Einschnitte: Das Unternehmen trennte sich von 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Der Schritt sei im fairen Miteinander erfolgt, heißt es bei Senec, fast alle hätten das Unternehmen im Rahmen eines freiwilligen Angebots verlassen.
Veränderungen wird es bei den Leipzigern bald auch in anderer Form geben: Im derzeitigen Hauptsitz will das Unternehmen nicht mehr lang bleiben – ein Umzug an die Saarländer Straße ist geplant. Dort entsteht mit dem Projekt „CUBE360“ ein neuer Büro-, Forschungs- und Entwicklungsstandort.