Leipzig/Dresden. Ein breites Bündnis aus Unternehmen und Verbänden will mit einem „Wirtschaftswarntag“ den Druck auf die Politik erhöhen – und gut dreieinhalb Wochen vor der Bundestagswahl auf die Schwäche der deutschen Wirtschaft aufmerksam machen. Erwartet wird, dass sich am bundesweiten Aktionstag am Mittwoch Vertreter aus allen Branchen beteiligen. Geplant sind Kundgebungen unter anderem in Berlin sowie Aktionen bei Unternehmen. Auch Firmen und Verbände aus Sachsen beteiligen sich.
„Ein solch breites Bündnis von zum Teil konkurrierenden Wirtschaftsverbänden hat es noch nie gegeben und zeigt, wie dramatisch die Lage in großen Teilen der Wirtschaft ist“, sagt Thorsten Alsleben von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, die Mitorganisatorin ist. Nach seinen Worten steht die Wirtschaft „an einem Kipppunkt“. Er betont: „Wenn die Politik nicht sofort Fesseln löst, werden die Deindustrialisierung und der Abschwung beschleunigt.“
Forderungen des Aktionstags: Bürokratieabbau und Energiepreise im Fokus
Die Forderungen des Aktionstages stehen unter dem Motto einer „Wirtschaftswende“. Die Unterstützer setzen sich unter anderem für einen umfassenden Bürokratieabbau, Steuersenkungen für Unternehmen und Arbeitnehmer, wettbewerbsfähige Energiepreise und eine Infrastrukturoffensive ein.
In Sachsen beteiligen sich mehr als ein Dutzend Unternehmen und Verbände am Aktionstag. So hat der Sächsische Baugewerbeverband die Mitgliedsunternehmen zur aktiven Teilnahme aufgerufen. Auch die Bauwirtschaft befinde sich in einer angespannten Lage, erklärt Vize-Präsident Thomas Möbius. Es gebe kaum neue Aufträge, und die Kosten seien zu hoch. Möbius fordert weniger Bürokratie, niedrigere Energiekosten und ein flexibleres Arbeitsrecht. „Es ist entscheidend, dass sich die Politik auf diese Themen konzentriert und die Rahmenbedingungen nun endlich verbessert.“
Arbeitgeberpräsident fordert Trendumkehr
In der Metall- und Elektroindustrie sind die Warnungen ebenfalls nicht zu überhören. Jörg Brückner, Präsident des Verbandes Sachsenmetall, bezeichnet die Lage der Branche als „äußerst angespannt“. „Der Auftragseingang sinkt bereits das zweite Jahr in Folge und der Umsatz ist ebenfalls rückläufig.“ Laut einer Umfrage unter Mitgliedsfirmen planen zwei Drittel der Unternehmen Investitionskürzungen; ein Drittel will Personal abbauen.
Brückner, der auch sächsischer Arbeitgeberpräsident ist, fordert eine Wende. „Die strukturellen Probleme Deutschlands lassen sich nicht über Nacht lösen, doch eine sofortige Trendumkehr ist unverzichtbar.“ Hauptprobleme seien hohe Arbeitskosten und Energiepreise, eine überbordende Bürokratie und ein kontinuierlich wachsender öffentlicher Sektor.

Quelle: Christian Modla
Wissenschaftler: Politik zögert
Auch Wissenschaftler blicken besorgt auf den Zustand der Wirtschaft. Gunther Schnabl, Professor an der Universität Leipzig und Direktor des Flossbach von Storch Research Institutes in Köln, fasst die Gemengelage so zusammen: „Die wirtschaftliche Lage ist kritisch. Die deutsche Wirtschaft ist 2024 im zweiten Jahr geschrumpft. Die Industrieproduktion und das Geschäftsklima zeigen bereits seit 2018 nach unten. Die Kapitalflucht hält an.“ Doch die Politik zögere.
In Sachsen macht sich die Schwächephase besonders bemerkbar. Im vergangenen Jahr dürfte die Wirtschaftsleistung um 0,5 Prozent gesunken sein – mehr als der bundesweite Rückgang von 0,2 Prozent. Die Schwäche der deutschen Industrie treffe Sachsen besonders hart, sagt Robert Lehmann vom Ifo-Institut in Dresden.

Quelle: Kempner
Schwäche der Industrie belastet Sachsen
Und auch zum Jahresbeginn bleibt die wirtschaftliche Entwicklung in Sachsen nach Einschätzung der IHK zu Leipzig weiterhin von Unsicherheiten und Herausforderungen geprägt. „Der Wirtschaftsstandort Deutschland büßt Vertrauen ein. Die Investitionszurückhaltung ist ein Indiz für die Verunsicherung, die aus wirtschaftspolitischen Kurswechseln und ausbleibenden Reformen resultiert“, sagt Leipzigs IHK-Präsident Kristian Kirpal. Die Bundesregierung fordert er zum Handeln auf: „Bürokratie abbauen, klare wirtschaftspolitische Leitlinien setzen und Rahmenbedingungen schaffen, die Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum sichern.“
Die entscheidende Frage vor dem „Wirtschaftswarntag“ bleibt indes: Welche Schlagkraft kann die Aktion entfalten? Die Forderungen, etwa nach einem Bürokratieabbau und Steuerentlastungen, bezeichnet Robert Lehmann vom Ifo-Institut als sinnvoll. Forscher Schnabl ergänzt: „Der Wirtschaftswarntag trägt dazu bei, das Bewusstsein dafür zu erhöhen, dass es Reformen braucht. Der Druck auf die politischen Entscheidungsträger wird erhöht.“