Von Nora Miethke
Fast über die gesamte Stadt sind die gelben Kräne im Dresdner Norden zu sehen. Sie markieren, wo der Münchner Halbleiterhersteller Infineon seine zweite Fab baut. Direkt vor Ort sieht die Baustelle wie ein großes Wimmelbild aus. Thomas Richter, Geschäftsführer von Infineon Dresden, steht mit Wirtschaftsminister Martin Dulig in der vierten Etage auf dem Balkon. Direkt unter ihnen herrscht ein Gewusel aus Containern, weiß-roten Absperrzäunen, gelben Abdeckplanen und Betonpfeilern, aus denen Stahlträger ragen. Gabelstapler und Bauarbeiter bahnen sich ihren Weg durch das Baustellen-Labyrinth. Im Januar hat der Hochbau begonnen. Die neue Fabrik werde von der Höhe alles andere, was hier steht, überragen, erklärt Richter den Besuchern. „Der Bürgermeisterblick ist dann weg“, sagt er und lacht. Noch kann man den Turm vom Dresdner Rathaus sehen.
Infineon investiert fünf Milliarden Euro in das neue Werk in Dresden, eine Milliarde Euro werden über staatliche Subventionen finanziert. Diese fließen auch in den teuersten Reinraum, den der Halbleiterhersteller je gebaut hat. Ursprünglich mit 20.000 Quadratmeter geplant, soll er nun 24.000 Quadratmeter groß werden, verteilt über zwei Geschosse. „Wir versuchen, jeden Quadratmeter herauszuquetschen, um die Produktivität zu steigern“, so Richter. Denn diese Standorterweiterung wird teuer, nicht nur wegen der gestiegenen Baukosten, auch wegen der Topologie. Die Presslufthammer mussten sich in die Lausitzer Granitplatte bohren. Als das Fundament ausgehoben wurde, galt höchste Alarmbereitschaft, um bei Erschütterungen die Produktion in Fab 1 zu stoppen.
Richter versichert dem Minister, dass die Subventionen gut angelegtes Geld seien. Aus jedem Arbeitsplatz, der bei Infineon oder bei ESMC, dem Gemeinschaftsunternehmen mit Weltmarktführer TSMC entsteht, würden fünf bis acht weitere Arbeitsplätze im Silicon Saxony folgen, betont er. Genau diese Ausstrahleffekte will Martin Dulig zeigen. Er hat zum Thementag „In der Schaltzentrale der europäischen Mikroelektronik“ eingeladen, der verdeutlichen soll, dass „Silicon Saxony“ mehr als die Fabs von Infineon, Globalfoundries und bald TSMC umfasst. Im Hightech-Dreieck Dresden – Freiberg – Chemnitz produzieren 3.650 Firmen mit insgesamt rund 76.000 Beschäftigten entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
Chinesische Exportkontrollen verteuern Rohstoff
Und so startete Thementag nicht in Dresden, sondern in Freiberg bei Freiberger Compound Materials (FCM). Jeder, der ein iPhone besitzt, hat auch ein Stück FCM immer bei sich. Denn FCM ist der weltweit führende Hersteller von Galliumarsenid-Wafern für die Herstellung hochmoderner Funk-Chips. „Wenn wir die Welt nicht mehr mit Galliumarsenid versorgen, können sie nächste Woche kein Handy mehr kaufen“, erklärt Geschäftsführer Michael Harz. Der Weltmarktanteil des Unternehmens mit 350 Beschäftigten liegt bei 70 Prozent.
Die Wafer werden aus Kristallen gefertigt, die in einem aufwendigen industriellen „Züchtungsprozess“ entstehen.. Beim Rundgang durch die Kristallzüchtung berichtet Harz von den Folgen der chinesischen Exportkontrollen für den Rohstoff Gallium, den es fast nur im Reich der Mitte gibt. Dort stehen die großen Aluminiumhütten. Gallium entsteht als Nebenprodukt bei der Herstellung von Aluminium und Zink. Die Beschaffungskosten haben sich um 65 bis 70 Prozent erhöht. FCM reagiert darauf mit verstärkter Lagerhaltung und Recycling. „Wir sammeln überall auf der Welt die Abfälle ein“, so Harz und bittet den Minister: „Wir brauchen mehr Zugang in Richtung Taiwan und USA, um die Prozesse zu erleichtern.“ FCM investiert derzeit in die Entwicklung und Produktion neuer Halbleitermaterialen für künftige 6G-Anwendungen wie autonomes Fahren.

© SMWA / Juergen Loesel
Auch Thilo Neumann investiert. Der Chef von Sachsen-Kälte GmbH zeigt den Rohbau für das neue Firmengebäude in Dresden-Klotzsche. Von dort kann der Spezialist für Kälte- und Klimatechnik in Server- und Reinräumen die großen Halbleiterkunden Infineon, Bosch und Globalfoundries sehen. Zur künftigen Fab von TSMC wird Neumann es zu Fuß haben. Gleich nach der Ankündigung der Ansiedlung in Dresden im letzten August flogen er und sein Team nach Taiwan.
Der weltgrößte Auftragsfertiger hätte sich in nur zwei Tagen auf seine Präsentation vorbereitet, so Neumann. Er geht fest davon aus, Aufträge von TSMC zu bekommen. Dafür integriert er im Neubau ein spezielles Testzentrum für TSMC. Sachsen-Kälte will dank des Mikroelektronik-Booms in Dresden die Kapazität und Beschäftigtenzahl von jetzt 40 verdoppeln. Auch Neumann hat eine Bitte an den Minister: Er soll sich für einen Abbau von Bürokratie einsetzen und „wir müssen aufhören mit diesem Klein-Klein-Denken“. Die Subventionen für die Chipindustrie seien gerechtfertigt, „die Investments kommen zehnfach zurück“, ist sich Neumann sicher.

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Der Neubau der Jenoptik Optical Systems GmbH ist fast fertig. Ende des Jahres will der thüringische Photonik-Konzern seine neue Hightech-Fab beziehen. Jenoptik produziert in Dresden Mikrooptiken und Sensoren für Lithografie-Anlagen. 100 neue Arbeitsplätze sollen entstehen, 30 Beschäftigte sind schon eingestellt. Die Jenoptik-Manager wünschen sich, dass in Dresden mehr für Radfahrer gemacht wird. „Das ist ganz wichtig, denn die Radwege zum Firmenstandort werden von den Mitarbeitern gut angenommen“, heißt es. Auch das hilft die Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern.
Auch wenn sich an diesem Tag alle besuchten Unternehmen als Partner präsentieren, in einem Punkt konkurrieren sie – und zwar um Fachkräfte. Immer wieder wird Dulig auf den Stand bei der geplanten Chipakademie angesprochen. Das neue Ausbildungszentrum für die Halbleiterindustrie wird einen dreistelligen Millionen Euro-Betrag kosten. Die Auszubildenden sollen an den typischen Anlagen lernen, das macht es so teuer. Die Chipakademie werde kommen, aber erst einmal müsste die Förderung geklärt werden, versichert der SPD-Politiker.

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Uwe Beier, Chef der Adenso GmbH in Moritzburg, bleibt gelassen. Die 1998 gegründete Firma hat sich auf die Entwicklung und Lieferung von Robot-Lösungen für Hochvakuum-Umgebungen spezialisiert. Zu dem Mittelständler mit derzeit 50 Beschäftigten sind nach eigenen Angaben auch schon Mitarbeiter von den großen Chipfabriken gewechselt. „Wir arbeiten nicht am Wochenende, nicht in Schichten und nicht mit Chemie. Da sagen einige, das passt jetzt besser zu meiner Familie“, sagt Beier. Er blickt der Zukunft im Silicon Saxony-Tal „aufgeschlossen“ entgegen.