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Trotz Protest: Freital plant ein „nachhaltiges Gewerbegebiet“

Es geht um Wiesen und Felder bei Wurgwitz. Das Rathaus lobt die Lage und verspricht viel Grün, doch die Anwohner sind wenig begeistert.

Lesedauer: 3 Minuten

Von Annett Heyse

Der Blick geht über eine große Wiese, dahinter zieht sich farbenfroher Mischwald in eine Senke. Die herbstliche Stimmung wird lediglich von der Geräuschkulisse der nahen Autobahn etwas gestört. Ansonsten: ländliches Idyll am Ortsrand von Freital bei Wurgwitz.

Doch wie lange noch? Das fragen sich etliche Wurgwitzer. Denn die Stadtverwaltung möchte für das Gebiet beidseits der Zöllmener Straße einen Bebauungsplan aufstellen. Es geht um ein „Nachhaltiges Gewerbegebiet“, so steht es in einer Beschlussvorlage an die Stadträte.

Das klingt modern, ökologisch, verantwortungsbewusst. Doch kaum wurde die Idee publik, tauchten auf der Wiese große Plakate auf. „Kein Gewerbegebiet auf Wurgwitzer Wiesen und Feldern“, steht darauf geschrieben. Aber worum geht es überhaupt?

Warum braucht Freital ein weiteres Gewerbegebiet?

Im vergangenen Jahrzehnt wies Freital etliche neue Gewerbeflächen aus. Diese befanden sich insbesondere im Korridor entlang der Bahntrasse und der Carl-Thieme-Straße, wo die Technologieparks F1 und F2 entstanden. Sie wurden von der stadteigenen Tochtergesellschaft Technologie- und Gründerzentrum Freital (TGF) entwickelt und vermarktet.

Derzeit in Vorbereitung ist die Vermarktung eines weiteren Areals, des Technologieparks F3. Das Gelände, ehemals Flächen der Firma Alpha Chemie, befindet sich im Dreieck Coschützer Straße/Birkigter Straße in Potschappel und soll in kleinere Gewerbeeinheiten geteilt werden. Auch hierfür gibt es schon Interessenten, Verkaufsgespräche laufen, heißt es seitens der TGF.

Damit sind aus Sicht der Stadtverwaltung die innerörtlichen Potenziale nahezu ausgeschöpft. Es gebe in Freital kein Angebot für Gewerbe und Industrie mit größerem Flächenaufkommen, erhöhtem Verkehrsaufkommen und stärkeren Lärmemissionen. „Immer wieder müssen gegenüber der TGF gestellte Anfragen von Unternehmen nach größeren Grundstücken abgelehnt, die Interessenten an andere Gemeinden verwiesen werden“, schreibt die Verwaltung an die Stadträte.

Welche Vorteile bietet der Standort Wurgwitz?

Die Stadt Freital hat das Gelände an der oberen Zöllmener Straße im Blick. In Fahrtrichtung Kesselsdorf links befindet sich der Betriebshof der Becker Umweltdienste und der Steinbruch der Firma Eiffage. Zudem steht dort eine alte Stallanlage, die längst nicht mehr genutzt wird.

Rechterhand der Zöllmener Straße liegen Grünland und Ackerflächen. Um diese geht es hauptsächlich. Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie hat die Stadtverwaltung bereits eine Vorprüfung unternommen.

Denn die Lage des Geländes ist so günstig wie sonst nirgendwo in Freital. Die Auffahrten der Autobahnen A4 und A17 sowie die Bundesstraße B173 liegen in unmittelbarer Nähe.

Im Rathaus sieht man zudem „die gemeinsamen Entwicklungspotenziale mit den Nachbarkommunen Dresden und Wilsdruff“. Hinzu kommen geomorphologische Gegebenheiten: Das Gelände bei Wurgwitz hat verhältnismäßig viele ebene Flächen, die in Freital mit seiner Tallage sonst nur vereinzelt vorkommen.

Außerdem gibt es in dem Bereich keine Naturschutzgebiete.

Was genau plant die Stadt Freital?

Es geht einerseits um das Gelände des alten Stalls, etwa 3,3 Hektar. Dazu kommen 11,2 Hektar potenzielle Gewerbefläche auf dem Grün- und Ackerland. Im aktuellen Flächennutzungsplan sind diese als Landwirtschaftsflächen ausgewiesen.

Hinzu kommen angrenzende Bereiche – insgesamt knapp 15 Hektar – , die zwar in den B-Plan mit einbezogen, später aber nicht bebaut werden sollen. Vielmehr dienen diese als Grün- und Ausgleichsflächen, auch Regenrückhaltebecken sollen dort entstehen.

Die Stadt strebt quasi ein „grünes Gewerbegebiet“ an. Die Versiegelung soll weitestgehend minimiert sein, am Rande der Gewerbeflächen sollen großzügige Biotope entstehen. Die Rede ist von Biodiversität, extensiver Bewirtschaftung, regenerativer Energienutzung, Dach- und Fassadenbegrünung.

Was sagen die Anwohner in Wurgwitz dazu?

Die Plakate lassen es erahnen – in Wurgwitz formiert sich Protest. „Das Vertrauen ist jetzt schon weg“, sagt Ortsvorsteherin Jutta Ebert. Zwar war der B-Plan Diskussionspunkt im Ortschaftsrat, doch trotz des einstimmigen negativen Votums aus Wurgwitz winkte der Stadtrat bis auf zwei Gegenstimmen die Aufstellung des B-Planes durch.

Dabei gab es schon in den frühen Neunzigerjahren die Idee, dort ein Gewerbegebiet anzulegen. Ortsvorsteherin Ebert hat in den Akten nachgelesen, woran das Vorhaben scheiterte: „Es gab Prüfungen. Unter anderem ging es dabei ums Abwasser, den Umweltschutz und Lärmschutz.“

Das sind auch heute die Sorgen der Wurgwitzer hinsichtlich der neuen Pläne. Hinzu kommen Bedenken zum Verkehrsaufkommen. Auch das Schwinden landwirtschaftlicher Nutzflächen ist ein Thema. „Wir haben hier schon den Steinbruch und die Becker Umweltdienste. Wurgwitz hat genug zur Freitaler Wirtschaft beigetragen“, sagt Ebert. Lediglich die Fläche der alten Stallanlage sollte man gewerblich nutzen. „Dagegen hätten wir nichts einzuwenden.“

Wie geht es nun mit dem Gewerbegebiet weiter?

Der B-Plan setzt auch eine Änderung des Flächennutzungsplanes voraus. Das ist ein langwieriger Akt. Zudem sind die Eigentumsverhältnisse völlig ungeklärt. Die Stadt plant zwar das Gewerbegebiet, die einzelnen Flurstücke sind jedoch im Besitz verschiedener Privateigentümer. „Manche wollen verkaufen, manche nicht“, berichtet Ortsvorsteherin Ebert.

Zudem müssen die Belange des Biotop- und Artenschutzes, der Entwässerung, der Erschließung und des Immissionsschutzes akribisch geprüft werden.

Die Stadtverwaltung geht deshalb von einem eher mittel- bis langfristigen Verfahren über mehrere Jahre und in Abschnitten aus. Ein erster Teilbebauungsplan könnte frühestens 2025 vorliegen, heißt es aus dem Rathaus.

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