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Umweltschutz rechnet sich

Nachhaltige Unternehmensführung muss zu jeder Firma gehören, fordert die Dresdner Umweltökonomin Edeltraud Günther.

Lesedauer: 3 Minuten

Frau Günther, wie nachhaltig wirtschaften die Unternehmen in Sachsen?

Einzelne mittelständische Unternehmen und auch Standorte großer Unternehmen sind im Bereich Nachhaltigkeit sehr engagiert. Der Freistaat Sachsen stärkt durch die Umweltallianz und ihr Auszeichnungsverfahren diese Aktivitäten. Allerdings wird das deutschlandweit oft nicht sichtbar. Und das liegt an der Struktur der sächsischen Unternehmen, die mittelständisch geprägt ist. Kein DAX-Konzern hat seinen Sitz in Sachsen.

Wie definieren Sie Nachhaltigkeit?

Nachhaltig wirtschaften bedeutet, eine ökonomisch erfolgreiche sowie ökologisch und sozial verträgliche langfristige Entwicklung unter Berücksichtigung räumlicher und zeitlicher Gegebenheiten anzustreben. Meist wird unter Nachhaltigkeit der Dreiklang von Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft verstanden. Wir betonen an unserem Zentrum für Nachhaltigkeitsbewertung und -politik, Prisma, an der TU Dresden zusätzlich die Bedeutung einer Anpassung an den Raum, in dem man wirtschaftet. So hat zum Beispiel der Verbrauch von Wasser im trockenen Namibia eine andere Bedeutung als im regenreichen Erzgebirge. Das fünfte Kriterium ist die zeitliche Dimension, also die Notwendigkeit, die Wirkungen des Wirtschaftens über die heutige Generation hinauszudenken.

Warum sollte nachhaltiges Wirtschaften im Interesse aller sein?

Der sogenannte „weltbeste Unternehmenschef“, ausgezeichnet 2015 von der renommierten Harvard Business Review, Lars Sørensen vom Pharmazieunternehmen Novo Nordisk, sagte: „Langfristig sind soziale und ökologische Themen finanzielle Themen.“ Und „nachhaltiges Wirtschaften ist nichts anderes, als langfristig den Unternehmenswert zu maximieren.“ Megatrends, denen sich Sachsen stellen muss und die auch schon von vielen erkannt werden, sind demografischer Wandel, Individualisierung, aber auch Polarisierung, Ressourcenknappheit und Klimawandel sowie Digitalisierung. Der Klimawandel stellt vor allem die Branchen Energieversorgung, Wasserwirtschaft, Bauwirtschaft, aber auch den Tourismus und die Lebensmittelbranche vor Herausforderungen. So nehmen einerseits Extremwetterereignisse wie Starkniederschläge zu. Aber auch Klimaveränderungen, wie zunehmende Sonnenstrahlung, der Materialien oder Mitarbeiter ausgesetzt sind, fordern von den Unternehmen ein Umdenken.

Sie zeichnen vier Szenarien für die Zukunft von Sachsens Industrie: Leuchtturmprojekte, Digital Engineering, Wertschöpfungstiefe durch unternehmensnahe Dienstleistungen und „aus der Region für die Region“.

Die sächsische Wirtschaft kann sich eher global oder eher regional ausrichten. „Leuchtturmprojekte“ beschreiben Unternehmen, die Produkte für den globalen Markt anbieten. Hier kann die Elektromobilität ein Standbein werden oder ressourceneffiziente Produktionsverfahren. Die Strategie des „Digital Engineering“ zielt darauf ab, Produkte und Dienstleistungen kombiniert international anzubieten rund um Themen wie das autonome Fahren, die Sharing Economy oder Industrie 4.0.

Durch digitale Reparaturen können sächsische Ingenieure weltweit Umsätze generieren und doch in Sachsen leben. „Aus der Region für die Region“ bedeutet, sich auf regionale Ressourcen wie Lebensmittel oder den Tourismus zu konzentrieren und Produkte für den regionalen Markt zu entwickeln. Schließlich ist bei einer Transformation der Energiewirtschaft zu analysieren, wie vorhandenes Wissen anders genutzt und weiterentwickelt werden kann. Die Strategie „Wertschöpfungstiefe durch regionale Dienstleistungen“ stellt Produkt-Dienstleistungs-Kombinationen für den regionalen Markt in den Mittelpunkt. Durch das neue ökologische und soziale Nutzungsverhalten entstehen auch hier neue Geschäftsideen wie zum Beispiel Teilauto, sz.bike oder Timmi zeigen.

Welche Denkweise ist nötig, um mehr Nachhaltigkeit in der Unternehmenssteuerung zu erreichen?

Zuerst benötigen Unternehmen den Willen, nachhaltig zu arbeiten. In den Wirtschaftswissenschaften sprechen wir von der sogenannten Upper Echelon Theorie, die besagt, dass die Eigenschaften des Topmanagements die Ausrichtung des Unternehmens bestimmen. Daher sind die Geschäftsführer gefragt, nachhaltige Strategien für ihre Unternehmen zu entwickeln und umzusetzen. Darauf aufbauend müssen die Controllinginstrumente Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen.

Wie funktioniert das in der Praxis?

Da sollte man zuerst bei den Materialkosten ansetzen, sie sind oft mit Abstand der größte Kostenblock für Unternehmen, nicht Personal oder Energie. Man könnte etwa in einer Materialflusskostenrechnung gezielt die Energie- und Materialströme analysieren und Abfallkosten in ihrer „wahren“ Höhe ausweisen. Bei einem Zinkgussunternehmen konnten damit die Stückkosten auf die Hälfte reduziert werden, indem ein verbessertes Fertigungsverfahren entwickelt wurde. Nachhaltigkeit verändert die Perspektive.


Prof. Edeltraud Günther gründete 2016 „Prisma – das Zentrum für Nachhaltigkeitsbewertung und -politik“, deren Vorstandschefin sie ist.

Wie rechnet sich Nachhaltigkeit?

Nachhaltiges Produzieren führt wie beim beschriebenen Zinkgussunternehmen über reduzierten Material- und Energieverbrauch, aber auch damit verbundene Personalkosten zu Kosteneinsparungen. Die Preise können gesenkt und neue Kunden gewonnen werden. Der zweite Ansatzpunkt ist gerade für kleinere Unternehmen interessant, indem sie höhere Preise am Markt für nachhaltigkeitsorientierte Kunden durchsetzen und gut in einer Nische wirtschaften können. Cloud&Heat, ein Dresdner Unternehmen, bietet Serverleistungen an und nutzt gleichzeitig die Abwärme der Server zur Wärmeversorgung – aus einem unerwünschten Output wird ein zweites Produkt.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung?

Bei der Sharing Economy werden vorhandene Produkte intensiver und häufiger genutzt. In der Wirtschaft sind dann weniger Produkte im Umlauf, was auch wiederum den Materialverbrauch reduziert. Bei der vorwegnehmenden Wartung werden Ersatzteile abends oder am Wochenende ausgetauscht und nicht erst, wenn das Gerät ausfällt. Dadurch sinkt zwar nicht das benötigte Material pro Produkt, aber die Ressourcen werden effizienter nutzbar. Das heißt, der Wert der produzierten Ware pro investierter Fertigungsstunde steigt. Und: Arbeitsplätze werden geschaffen, Umsätze werden eher durch Personaleinsatz als durch Materialeinsatz erzielt. Wie schon gesagt: sächsische Ingenieure können ohne Flugreisen Wartungsmaßnahmen in Anlagen auf anderen Kontinenten anleiten.

Gespräch: Nora Miethke

 

Bildquelle: Wolfgang Wittchen, privat

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