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Unterm virtuellen Kernspintomografen

Der Dresdner Drohnenkönig-Chef Sven Kaleta ist überzeugt: Den Digitalen Zwillingen gehört nicht nur auf dem Bau die Zukunft.

Lesedauer: 4 Minuten

Zwei Männer schauen freundlich in die Kamera.
Geschäftsführer Sven Kaleta und Prokurist Thomas Kriegel von AIVG-Airmess zeigen einige der Drohnen und Scanner, die sie für ihre 3-D-Modelle einsetzen. Foto: Heiko Weckbrodt

Von Heiko Weckbrodt

Dresden. Die Zukunft gehört den Digitalen Zwillingen, sei es nun im Architekturbüro, auf der Baustelle, in der Gastronomie oder sogar im horizontalen Gewerbe – davon ist der Dresdner Unternehmer Sven Kaleta überzeugt. Denn die hochdetaillierten virtuellen Computermodelle können den Nutzern viel Geld und Fehler ersparen, aber auch prima 3-D-Werbung für erlesene Lokale und verführerische Etablissements machen. Zudem seien diese Modelle durch den technologischen Fortschritt der vergangenen Jahre und akkumulierte Expertise den alten 2-D-Architekturzeichnungen in puncto Kosten mehr als ebenbürtig geworden, auf lange Sicht gesehen sogar preisgünstiger.

Mit Spezial-Software zum 3-D-Rundgang
„Durch die Kombination von Drohnen, terrestrischen Laser-Scannern und Software lassen sich heutzutage 3-D-Modelle mit hoher Genauigkeit erstellen, welche vor mehreren Jahren noch als undenkbar galten“, erklärt der Chef der Firmen „AIVG“ und „Airmess“. Aus ihren per Drohne und Scanner gewonnenen dreidimensionalen Punktwolken machen die Dresdner mittels spezieller Software dann 3-D-Rundgänge, bei denen Neugierige zum Beispiel alte Schlösser per Internet erkunden oder „Building Information Models“ (BIM), mit denen Bauherren ihre Großprojekte hochprofessionell und von A bis Z digital durchziehen können.

Schon rund 3.000 Modelle erstellt
Über die Jahre hinweg haben die in Dresden-Zschertnitz ansässigen Spezialisten ihre technologischen Methoden immer weiter verfeinert und mittlerweile rund 3.000 3-D-Modelle erstellt.
Die meisten davon sind im Auftrag von Baulöwen, Bergbau-Unternehmen, Staatsbetrieben, Gastwirten und anderen Kunden entstanden. Manche aber einfach nur, um zu zeigen, was heute möglich ist. Das wohl exotischste Projekt war ein für eine Rotlichtgröße erstellter 3-D-Rundgang durch ein Freudenhaus, inklusive der darin versammelten Damen. Die wohl frostigste Punktwolke stammt vom Nordkap und wurde „ehrenamtlich“ für die Nutzer von Google Maps vermessen.
Dank solcher 3-D-Modelle, die er nebenher in den internationalen Kartendienst „für die Ehr“ und als Eigenwerbung einspeist, gilt der AIVG-Chef laut eigenen Angaben als zweitwichtigster deutscher „Local Guides“ – ein Ehrentitel, den Google für besonders aktive Helfer verleiht.

Thermodrohnen als Energiespar-Helfer
Auf die Idee mit den Digitalen Zwillingen war der gelernte Mediengestalter ursprünglich durch seine Faszination für Drohnen gekommen. Aus einem nach der Wende gegründeten Ingenieurvermessungsbüro heraus baute Kaleta nach und nach in Dresden eine Unternehmensgruppe auf, die sich zunächst auf Drohnenflüge spezialisierte. Seine fliegenden Augen inspizieren seither Gebäude, Tagebaue, Lagerplätze, Deponien und andere Komplexe und liefern den Betreibern dann ganz genau solche Informationen wie Restkapazitäten und Auslastung. „Das war für manchen Kunden, der bis dahin nur mit Schätzungen gearbeitet hat, durchaus eine Überraschung, wenn ich ihm nach dem Überflug mitgeteilt habe, dass seine Deponie in ein paar Wochen voll ist, wenn er so weitermacht“, erzählt der Drohnenkönig.
Andere Aufträge kamen und kommen von Energieversorgern, die Lecks in ihren Fernwärmenetzen ausfindig und stopfen wollen – durch Überflüge mit Wärmebildkamera-Drohnen ist das kein Problem mehr.
Später dockte Kaleta an diese Drohnenfliegerei, die letztlich nur Rohdaten liefert, weitere, lasergestützte Vermessungs-Technologien und schließlich als Geschäftsfeld auch die 3D-Modell-Genese an. In der Praxis bedeutet das: Um beispielsweise das Außenbild eines alten Schlosses für einen Kunden zu erfassen, bestücken Kaleta und sein Team ihre Drohnenflotte mit hochauflösenden Kameras und anderen Sensoren.
Aus den dabei gewonnenen Bildern und Daten entstehen im ersten Schritt 3D-Punktwolken vom Gebäude-Äußeren. Das Innere des Schlosses erfassen hingegen erdgebundene Laser-Scanner und ähnliche Systeme. All diese Messdaten fassen dann die Fachleute in den Zschertnitzer Büros zu einem komplexen 3D-Modell zusammen, das Fassaden, Außenwirkung wie auch „innere Werte“ des historischen Gebäudes umfasst.

Ein Link sagt manchmal mehr als zehn Vor-Ort-Besichtigungen
Und daraus lassen sich dann wiederum dreidimensionale virtuelle Rundgänge für potenzielle Besucher, alternativ auch digitale Zwillinge oder BIMs für den professionellen Anwender generieren. „Damit können sich Bauleiter, Architekten, Maler, Klempner und andere Handwerker viele Vor-Ort-Treffen sparen“, erklärt Kaleta die Vorteile solcher strikt digitaler Bauabläufe. „Wenn zum Beispiel eine Reparatur oder eine Sanierung ansteht, bekommt jeder Beteiligter einen Link zum Modell und kann ganz genau selbst sehen, wo welche versteckte Leitung entlang läuft, wie breit ein Gang oder eine Tür ist und so weiter.“
Auch große Auftraggeber wie der Freistaat Sachsen nutzen die Erfahrungen, die das insgesamt 16-köpfige Team von „AIVG“ und „Airmess“ über die Jahre hinweg gesammelt hat. So beteiligte sich der Unternehmensverbund an einem Pilotprojekt des Sächsischen Immobilienmanagements, das darauf zielt, Kopien von historischen Bauten, Krankenhäuser, Behörden-Büros und anderen staatlichen Liegenschaften systematisch als 3-D-Modelle zu kopieren. Dabei mussten unter anderem Lösungen gefunden werden, um die Modelle in Rechnerwolken (Clouds) abzulegen, aber eben nicht bei den großen US-Hyperscalern, sondern datenschutzkonform auf Computern in Deutschland. Zu den Vorzeigebeispielen gehören das Krankenhaus Arnsdorf, der Südcampus der TU Dresden oder die Rochsburg bei Chemnitz.
Im Übrigen sind per Drohne und Laser-Scanner erstellte 3-D-Modelle längst keine Domäne allein für Gebäude mehr. Mittlerweile nutzten Gärtner, Inspektoren, Sicherheitsdienste und sogar Restauratoren diese Technologien: um alte Bäume in Parks zu erfassen, das ursprüngliche Aussehen historischer Textilien zu rekonstruieren, Fuhrpark-Parkplätze gegen Eindringlinge zu sichern oder Staudämme und Brücken vollautomatisch zu inspizieren.
Und der Anwenderkreis dürfte in Zukunft noch breiter werden, meint Kaleta. Ein Grund: Technologisch ist von der Billigdrohne mit Webcam bis hin zum fliegenden Auge für 70.000 Euro mit Multi-Megapixel-Kamera, Thermo-Cam und Lidar-Sensor an Bord inzwischen nahezu alles möglich – und damit wachsen auch die Einsatzmöglichkeiten für den privaten Häuslebauer ebenso wie für den Großkonzern.

Vorteile über ein ganzes Immobilien-Leben hinweg
Ein anderer Treiber: „Mit heutigen hochauflösenden 3-D-Modellen können Sie ein Gebäude wie bei einer Kernspintomografie aus jedem Winkel und in jedem Detail durchleuchten“, erklärt der Firmenchef.
Dies eröffne einzigartige Vorteile über ein ganzes „Immobilien-Leben“ hinweg, von der ersten Planung über den Bau, Gebäudebewirtschaftung, Sanierungen bis hin zu Abriss und Entsorgung. Diese Präzision, räumliche Anschauung und intuitive Analysemöglichkeiten könne kein Millimeterpapier oder selbst eine 2D-Computerzeichnung bieten. „Andererseits sind Aufwand wie auch Kosten für 3-D-Vermessung und 3-D-Modelle so weit gesunken, dass sich eine klassische Vermessung in vielen Fällen gar nicht mehr lohnt.“

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