Leipzig. Wer in der Logistikbranche nach Jobs Ausschau hält, muss nach offenen Stellen nicht lange suchen. Allein auf Karriereplattformen wie Indeed oder Stepstone werden derzeit über 350 Stellen in der Region Leipzig ausgeschrieben – von der Fachkraft für Lagerlogistik bis zum Teamleiter.
Damit setzt sich der Wachstumskurs einer der wichtigsten Branchen im Ballungsraum Leipzig-Halle fort. Von einer „hohen Nachfrage nach Arbeitskräften in der Logistik“ ist auch bei der Agentur für Arbeit Leipzig die Rede. Laut Sprecher Frederic Schulze ist der Wirtschaftszweig „Verkehr und Lagerei“ bereits der fünftgrößte in Leipzig.
Amazon plant 1000 Jobs in neuem Logistikzentrum
Und der Arbeitskräftebedarf dürfte in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Einen Zugpferd ist Amazon: Der US-Konzern will in Könnern, nordwestlich von Halle, ein Logistikzentrum ansiedeln. Gespräche dazu laufen, und geht alles über die Bühne, bahnt sich hier ein Investment im dreistelligen Millionenbetrag an. Von zunächst 1000 neuen Jobs im ersten Betriebsjahr ist bei Amazon die Rede.
Im „VGP Park Leipzig-Flughafen“ entstehen derweil direkt an der A9 gleich fünf Gebäude. „Künftig können dort über 1.000 neue Arbeitsplätze entstehen“, heißt es vom Investor. Erste Mieter stehen schon fest: So haben sich ein Logistikunternehmen und ein Medizinunternehmen Flächen gesichert, teilte der Entwickler mit. Im Frühjahr soll das Gebäude fertig sein.

Quelle: Michael Strohmeyer
„Zeichen einer Abschwächung“ auf dem Jobmarkt
Unmittelbar am Flughafen errichtet auch die belgische Weerts Group einen Logistikpark. Und es gibt noch weitere Projekte: Der Dax-Konzern Beiersdorf pumpt 200 Millionen Euro in ein neues Logistikzentrum im Leipziger Norden. Das soll 2027 an den Start gehen und 450 neue Arbeitsplätze bieten.
Ich bin überzeugt davon, dass Leipzig/Halle auch in den nächsten Jahren noch zu den absoluten Top-Logistikregionen in Deutschland gehören wird. – Maximilian Hohendorf, Head of Industrial & Logistics Letting bei Logivest in Leipzig
Das sieht auf den ersten Blick danach aus, als sei die Dynamik in der Region ungebrochen. Doch wird der Optimismus getrübt. Auf dem Arbeitsmarkt sieht die Agentur für Arbeit bereits „erste Anzeichen einer Abschwächung“, die vor allem die Lagerlogistik betrifft. „Besonders Unternehmen mit starker Abhängigkeit zur Automobilbranche zeigen eine geringere Einstellungsbereitschaft für ungelernte Arbeitskräfte. In Einzelfällen wurde bereits Kurzarbeitergeld beantragt“, erklärt Sprecher Schulze. In der Transportlogistik – vor allem bei Berufskraftfahrern – sei der Fachkräftemangel hingegen weiter präsent.
Weitere Neubauprojekte laut Experte unwahrscheinlich
Tatsächlich bekommt die Logistik auch im Raum Leipzig die gesamtwirtschaftliche Krise zu spüren. Schon Ende 2023 hätten sich Signale einer Rezession gezeigt, die sich im vergangenen Jahr verstärkten, sagt Bastian Hafner, Logistikchef vom Immobilienberater BNP Paribas Real Estate. Bei neuen Ansiedlungen agierten die Unternehmen zögerlicher. „Diese zwei schwierigen Jahre haben am Logistikmarkt der Region deutliche Spuren hinterlassen“, resümiert er.
Folgt man den Experten, dann ist das Angebot in der Region aber weiterhin gut. Denn durch Neubauten in den vergangenen Jahren gab es einen deutlichen Anstieg an verfügbaren Logistikflächen, das biete Unternehmen Chancen. Allerdings sei davon auszugehen, „dass darüber hinaus kaum noch weitere Neubauprojekte begonnen werden“. Auch die aktuellen Großprojekte wurden in der Zeit des Logistik-Booms initiiert, doch wie es in Zukunft weitergeht, wird sich zeigen.

Quelle: Beiersdorf
Leipzig weiterhin Top-Logistikstandort
Die gute Nachricht ist jedoch: In diesem Jahr ging es schon wieder aufwärts. Die wieder erstarkte Nachfrage lasse auf eine positivere Entwicklung hoffen, erklärt Hafner. Das Beratungsunternehmen Logivest indes sieht Leipzig auch weiterhin als Deutschlands Top-Logistikregion. Bleibt als Fazit: Trotz schwieriger Lage bleibt Leipzig ein interessanter Standort für mittelständische Unternehmen sowie für globale Player. Nur scheint das Wachstum eben auch Grenzen zu kennen.
Dass sich die Logistikbranche in den kommenden Jahren weiter verändern wird, steht allerdings fest – doch für Leipzig bietet das Chancen. Logivest-Experte Maximilian Hohendorf beobachtet, dass etwa Flächen für die Lagerung von Batteriespeichern gefragt sind. „Hier steckt noch viel Potenzial, und ich bin überzeugt davon, dass Leipzig/Halle auch in den nächsten Jahren noch zu den absoluten Top-Logistikregionen in Deutschland gehören wird“, sagt er.
Ist die Wirtschaft in der Region vom Flughafen abhängig?
Aufmerksam wird derweil beobachtet, wie sich die Luftfracht entwickelt. Der Flughafen Leipzig/Halle ist als zweitgrößter deutscher Fracht-Airport ein maßgeblicher Grund für den Logistik-Boom in der Metropolregion. Doch im vergangenen Jahr lag der Frachtumschlag leicht unter dem Niveau des Vorjahres. Könnte eine schwächelnde Luftfracht der Region also noch Probleme bereiten, besteht hier gar eine Abhängigkeit?

Quelle: Hendrik Schmidt/dpa
So weit will Maximilian Hohendorf von Logivest nicht gehen. Zweifelsohne habe der Nordraum viele spannende Logistik-Hotspots. „Das liegt jedoch nicht zwingend nur an der Flughafennähe, sondern auch an der exzellenten Autobahnanbindung.“ Zudem könnten die Umschlagterminals etwa im nahegelegenen Güterverkehrszentrum Leipzig genutzt werden.
Auch BNP-Experte Bastian Hafner betont: „Die Abhängigkeit von der Luftfracht ist nicht so maßgeblich, wie es scheint.“ So hätten sich im Flughafenumfeld viele Unternehmen niedergelassen, die vom Airport nicht abhängig seien. Ausnahmen sind freilich Unternehmen wie Amazon oder Mytheresa – letzteres Unternehmen ist eine der großen Ansiedlungen im Logistik-Bereich der vergangenen Jahre. Wie zu hören ist, bereut der Luxus-Online-Händler seine Entscheidung für den Standort keinesfalls. Bis Ende des Jahrzehnts wollen die Münchner 1000 Menschen in Schkeuditz beschäftigen.