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Von der Angestellten zur Eigentümerin

Handwerkskunst in Radeburg: Madlen Meyer aus Naundorf bei Ortrand übernahm die Glasbiegerei Pfaltz und bekam dafür einen Preis. Sie will anderen Mut machen.

Lesedauer: 3 Minuten

Man sieht Madlen Meyer, Inhaberin der Glasbiegerei Pfaltz
Madlen Meyer, Inhaberin der Glasbiegerei Pfaltz – Die Glasmanufaktur – e. K. in Radeburg mit einem historischen Lampenschrim, dessen Gläser neu angefertigt wurden. Quelle: Daniel Wagner

Kathrin Krüger

Die 2.000 Euro, die die Glasbiegerei Pfaltz – Die Glasmanufaktur – e. K. aus Radeburg – erhielt, sind das eine. Viel wichtiger sind für Madlen Meyer aus Naundorf bei Ortrand das Mutmachen für andere, in den doch wirtschaftlich ungewissen Zeiten Unternehmensnachfolgen anzugehen, gerade im Handwerk. Auch als Frau könne man mutig sein. Sie bekam den Sonderpreis der Jury für erfolgreiche Unternehmensnachfolge beim „Sächsischen Meilenstein“.

Im Vorjahr avancierte die 47-jährige Madlen Meyer von der Angestellten zur Eigentümerin. Sie übernahm den Betrieb von Gründer Dieter Pfaltz. Die kleine Radeburger Firma ist auf das Biegen, Schneiden, Laminieren und Veredeln verschiedenster Gläser spezialisiert. Und hat Kunden im ganzen deutschsprachigen Raum und darüber hinaus. Hier wurden Denkmalschutzscheiben für den Dresdner Zwinger, Leuchtfeuer für die Schiffsanierung oder spezielle Scheiben für Oldtimer, die es sonst nicht mehr gibt, hergestellt.

20 Prozent Umsatzsteigerung seit Übernahme

Madlen Meyers „persönlicher Einsatz“ sicherte den Fortbestand des Handwerksbetriebs und damit zehn Arbeitsplätze, heißt es zur Begründung. Seit 2019 war die dreifache Mutter im Vertrieb beschäftigt. „Ich hab eine kaufmännische Ausbildung und war vorher in einem Steuerbüro tätig“, sagt sie. Weil sie nicht direkt vom Fach ist, hielt sie sich als Inhaberin anfangs nicht für geeignet. Doch das änderte sich sehr schnell.

Alteigentümer Pfaltz ist mittlerweile weit über 70 Jahre alt und suchte einen Nachfolger. Er hatte als Ostdeutscher das Unternehmen nach der Wendezeit an der Radeburger Friedrich-Ludwig-Jahn-Allee gegründet. Und damals die großen Ladenbauunternehmen in den alten Bundesländern davon überzeugt, dass es im Osten eine Glasbiegerei gibt, die allen Qualitätsansprüchen genügt. In den Folgejahren wurde kräftig investiert, sodass zwei große Glasbiegeöfen auf Flüssiggasbasis zu den kleineren dazukamen, sowie ein größerer Laminierofen, um so das gebogene Glas weiter zu Verbundsicherheitsglas zu verarbeiten.

Heute umfasst das Portfolio der Glasbiegerei Pfaltz eine ganze Reihe von Produkten. Mit guter Perspektive. „Das hat mich letztlich bewogen, den Schritt für mehr Verantwortung zu wagen“, sagt Madlen Meyer. Sie war es schon früher gewohnt, selbstständig zu denken und zu arbeiten. Sie betrieb einen Secondhand-Laden in Sacka. „Wir haben in der Belegschaft überlegt, wer den Mut und das Grundvertrauen hat, die Geschäfte weiterzuführen“, sagt Madlen Meyer. Seit ihrer von der Bürgschaftsbank Sachsen und der Sparkasse Meißen unterstützten Übernahme im Vorjahr konnte der Umsatz um 20 Prozent erhöht werden. Davon wird auch in einem Preisträger-Film berichtet.

Bringen Scherben Glück?

Was hält sie vom Sprichwort „Scherben bringen Glück“, wird die Glasfirmen-Chefin von Sächsische.de gefragt. „Ist das nicht eher was für Porzellan?“, kontert Madlen Meyer gekonnt. Zu Bruch gehe in dem Betrieb für verschiedenste Glasbauten und Konstruktionen nur selten etwas. Manchmal aber auch auf dem Transport. Der läuft sogar bis China, wo eine Kundenfirma sitzt. Die Radeburger bedienen eine Nische, erst in Berlin ist die nächste Glasbiegerei. Und die kümmert sich mehr um größere Stückzahlen.

Als frühere Kundenbetreuerin ist es Madlen Meyer auch heute noch wichtig, ganz nah an den Wünschen ihrer Auftraggeber dran zu sein: Sei es nun bei gebogenen Glasscheiben für historische Lampen. Oder Spezialanfertigungen für Gastroausstattung. „Wir machen fast ausschließlich Einzelanfertigungen.“ Sie ist mit ihrem Team stolz, wenn wieder ein kniffliger Auftrag geschafft wurden. Vielleicht, sagt Madlen Meyer, macht sie selbst nochmal die Meisterschule, um Lehrlinge ausbilden zu können.

Sie habe jetzt zwar einen fetten Kredit an der Backe. Aber auf ihr Team, mit dem sie neue Aufträge ausführlich bespreche, könne sie sich verlassen. Jetzt müsse sie als Chefin manchmal paar Stunden mehr im Büro zubringen. „Manche Projekte sind aber schon quasi mit nach Hause gekommen, als ich noch im Vertrieb war“, so die 47-Jährige. Sie kennt die Lieferanten und Kunden, hat als erste Amtshandlung die Internetseite und dann den Pausenraum der Mitarbeiter erneuern lassen. Nun soll auch die Ausschilderung der Firma verbessert werden.

Um in der Planungsphase schon mit wirken zu können, gerade was die technische Machbarkeit betrifft und auch um den Bekanntheitsgrad zu erhöhen, entstand die neue Internet-Plattform „die GlasLotsen“, in Zusammenarbeit mit Herstellern, Planern und Forschern. Die ist für Architekten und Bauherren gedacht, denen Glaselemente vorgestellt werden. Zudem präsentieren sich die Radeburger vom 7. bis 9. November auf der Leipziger Denkmal-Fachmesse. Eintritts-Freikarten können Kunden gern über die Glasbiegerei bekommen.

Madlen Meyer (M.) aus Sachsen war die einzige Frau, die in diesem Jahr den Preis Sächsischer Meilenstein für erfolgreiche Unternehmensnachfolge erhielt.
Quelle: Bürgschaftsbank Sachsen, Nora Grosche

Der Sächsische Meilenstein 2024, der Preis für erfolgreiche Unternehmensnachfolge, wurde insgesamt an vier kleine und mittelständische Unternehmen verliehen. Die Preisverleihung fand in Schloss Albrechtsberg in Dresden statt. Die begehrte Trophäe in Gestalt eines Meilensteins steht jetzt auch in Radeburg. Er ist eigentlich ein Preis für die gesamte Belegschaft. Denn Madlen Meyer hatte natürlich „ganz deutlich“ die Frage an die Mitarbeiter und Kollegen gestellt, ob sie „mit ihr auf die Reise gehen“. Sie sind es, mit ihrer Handwerkskunst, die außergewöhnliche Anfragen und Projekte umsetzen und noch weiteres Personal gewinnen wollen. Insgesamt hatten sich sachsenweit mehr als 50 Firmen um den Sächsischen Meilenstein beworben. Die Entscheidung über die Sieger wurde von einer Fachjury unter Vorsitz von Heiner Hellfritzsch, dem ehemaligen geschäftsführenden Gesellschafter der Florena Cosmetic GmbH, getroffen.

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