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VW in Zwickau: Sechs Gründe, die gegen die Produktion in Sachsen sprechen

Sparplan, aber keine Werksschließungen: Vor Weihnachten wurde die Einigung im Tarifkonflikt bei der Marke VW gefeiert. Doch im Fall von Zwickau droht jetzt das böse Erwachen. Welche Zukunft hat die Produktion in Sachsen?

Lesedauer: 5 Minuten

Die Ergebnisse der Tarifverhandlungen bei der Marke VW vor Weihnachten haben Sachsen erschüttert. Das Werk Zwickau soll 2027 die Produktion der Modelle ID.3 und Cupra Born nach Wolfsburg abgeben. Die Fertigung in der Gläsernen Manufaktur in Dresden soll Ende dieses Jahres eingestellt werden.

In der Folge befürchtet das sächsische Automobilzuliefernetzwerk AMZ den Verlust von 20.000 von insgesamt 50.000 Jobs. Sechs Thesen zu den Gründen und was nun getan werden muss. Eine Analyse.

Erstens: VW hat Überkapazitäten, die abgebaut werden müssen

Die Verlagerung der Volkswagen ID.-Modelle aus Sachsen ist ein herber Schlag für den sächsischen Automobilstandort. Doch kein Schlag gegen den ostdeutschen VW-Standort zugunsten der westdeutschen in Niedersachsen. Keines der neun Werke der Marke VW wird geschlossen, so wie von der Gewerkschaft und den Betriebsräten gefordert.

Aber diese Solidarität hat ihren Preis, alle Standorte werden kleiner. Das Stammwerk in Wolfsburg muss die Golfproduktion abgeben, die Modelle ID.3 und Cupra Born, deren Fertigung 2027 aus Zwickau kommen, können diese Lücke nur zum Teil füllen.

Auch im Werk in Emden wird nur in einer Schicht produziert. Denn Volkswagen baut zu viele Autos, für die es keine Käufer gibt. Die Nachfrage ist nach dem Ende der Corona-Pandemie nicht wie erhofft angesprungen, unabhängig von der Antriebsart. In Europa hat VW im vergangenen Jahr 1,7 Prozent weniger Autos verkauft als im Jahr zuvor, im größten Absatzmarkt China waren es sogar 8,3 Prozent weniger.

Um international wettbewerbsfähig zu werden, müssen diese Überkapazitäten reduziert werden. In den deutschen VW-Werken sollen 734.000 Fahrzeuge pro Jahr weniger als heute vom Band laufen.

Zweitens: Mangelnde Akzeptanz von E-Autos in der Bevölkerung

Für diese Überkapazitäten gibt es mehrere Gründe. Der wichtigste hierzulande ist die allgemeine Verunsicherung aufgrund von Krisen und Kriegen, die sich überlagern.

„Schon immer galt in Krisenzeiten, dass die Kaufzurückhaltung zuerst bei den teuren Gütern erfolgt. Das Auto trifft es immer zuerst“, sagt Jens Katzek, Geschäftsführer des Automobilclusters Ostdeutschland (ACOD). Zwickau leidet zudem unter der mangelnden Akzeptanz von E-Autos.

Schon immer galt in Krisenzeiten, dass die Kaufzurückhaltung zuerst bei den teuren Gütern erfolgt. Das Auto trifft es immer zuerst.

Jens Katzek, Geschäftsführer des ACOD

Die Marke VW hat 2024 insgesamt 4,8 Millionen Fahrzeuge verkauft. Davon waren nur 383.000 Fahrzeuge vollelektrisch und kamen mehrheitlich aus Zwickau. Der Wegfall der staatlichen Kaufprämien über Nacht ist für diese geringe Nachfrage nicht allein verantwortlich, er hat die Überkapazitäten nur offensichtlich gemacht.

E-Autos sind erst dann attraktiv, wenn sie bei den Kunden mindestens gleich gut ankommen in ihrer Nutzbarkeit wie bislang die Verbrenner. Sie könnten schon jetzt attraktiver sein, wenn die Unsicherheiten bei der Ladeinfrastruktur, bei der Stromversorgung und den Energiepreisen ausgeräumt wären, glaubt Katzek.

Drittens: Exportmodell funktioniert nicht mehr

Bislang wurden ungefähr drei von vier in Deutschland hergestellte Autos ins Ausland geliefert. Doch dieses Exportmodell funktioniert nicht mehr – der zweite Hauptgrund für die Überkapazitäten. In China wird der Umstieg auf E-Autos staatlich massiv gefördert. Und die Chinesen finden ihre eigenen Modelle attraktiver als die deutschen – vom Preis, von der Batterieleistung und vom Infotainment her. Volkswagen hat 2024 rund 180.000 Autos weniger in China abgesetzt als im Jahr zuvor.

Noch mehr fürchten die deutschen Autobauer allerdings Donald Trump. Der US-Präsident hatte seinen Fans im Wahlkampf zugerufen: „Ich will, dass deutsche Autobauer amerikanische werden“. Die US-Regierung wird die Hersteller über hohe Einfuhrzölle, die deutsche Autos teurer machen, dazu zwingen, Werke in den USA zu bauen oder auszubauen.

Jens Katzek, Geschäftsführer des ACOD, befürchtet negative Beschäftigungseffekte für Sachsen, wenn die Politik nicht die Kaufanreize für E-Autos verbessert.
Jens Katzek, Geschäftsführer des ACOD, befürchtet negative Beschäftigungseffekte für Sachsen, wenn die Politik nicht die Kaufanreize für E-Autos verbessert.
Quelle: HGB Leipzig

Für die VW-Konzernmarken Audi und Porsche wird das ein Problem, da sie bislang keine Produktionsstandorte in den USA haben. Daher kann es sehr gut sein, dass Audi seine zwei Q4-Modelle doch noch aus Zwickau abzieht. Denn die Werksbelegungspläne im VW-Konzern müssen neu geschrieben werden. „Der Wettbewerb wird sich insgesamt auf dem Automobilmarkt deutlich verschärfen“, ist sich Katzek sicher.

Viertens: Sachsens Zulieferstandort braucht Montagewerk

Auch unter den deutschen VW-Standorten selbst wird die Konkurrenz härter. Die Einigung von Dezember sieht vor, dass jeder Standort sogenannte Fabrikkostenziele erfüllen muss.

Was das bedeutet, rechnet Dirk Vogel, Geschäftsführer des sächsischen Automobilzuliefernetzwerks AMZ vor: Das Werk in Zwickau ist auf die Jahresproduktion von 360.000 Fahrzeugen ausgelegt. Wenn ab 2027 unter 130.000 Fahrzeuge vom Band laufen sollten, ist das Werk mit seinen derzeit 9000 Beschäftigten nicht mehr wirtschaftlich.

Dann sei es aus Sicht für VW auch nicht mehr profitabel, einen Konzernzulieferstandort in der Region Zwickau aufrechtzuerhalten oder Autoteile von Sachsen aus nach Wolfsburg und Emden zu transportieren.

Die in Aussicht gestellte Batterierecyclinganlage mit bis zu 1000 Arbeitsplätzen sei keine geeignete Kompensation. „Wenn für VW die Autoproduktion in Deutschland zu teuer ist, dann soll es die Fahrzeugzerlegung nicht sein?“, fragt Vogel skeptisch. Seiner Ansicht nach ist der Standort nur mit einer Fahrzeugmontage zu halten.

Auch ACOD-Chef Katzek hält es für unwahrscheinlich, dass die VW-Sachsen-Zulieferer die Werke von Porsche und BMW in Leipzig beliefern könnten. „Für Porsche und BMW sind die Lieferketten heute bereits vorhanden und entsprechend konzipiert“, betont er.

Eine kurzfristige Erweiterung von Kapazitäten ist nicht zu erwarten, auch wenn BMW wirtschaftlich besser da steht. Porsche muss ebenfalls sparen. Ohne politische Signale, die die Attraktivität von E-Autos verbessern, muss man von Standortschließungen und Beschäftigungsabbau ausgehen.

Fünftens: Politik muss Mobilitätsstrategie entwickeln

Beide Experten vermissen bei der jetzigen Bundesregierung eine klare Mobilitätsstrategie. „Die Politik hackt mit immer neuen Regulierungen wie Verbrenner-Aus, CO₂-Bepreisung und EU-Flottengrenzwerten auf dem Auto herum, will aber die Autoindustrie als Cashcow und Beschäftigungsgarant nutzen, das passt nicht zusammen“, so Vogel.

Er fordert ein Gesamtkonzept, wie Mobilität in Deutschland entwickelt werden soll.

Dirk Vogel ist Geschäftsführer des Netzwerkes Automobilzulieferer Sachsen (AMZ). Den Branchenverband mit ungefähr 160 Mitgliedern aus dem Automobilsektor im Freistaat gibt es seit dem Jahr 1991.
Dirk Vogel ist Geschäftsführer des Netzwerkes Automobilzulieferer Sachsen (AMZ). Er fordert von der neuen Bundesregierung eine Mobilitätsstrategie.
Quelle: unknownunknown

Eine Kaufprämie für in Deutschland hergestellte E-Autos, wie Bundeskanzler Olaf Scholz sie jetzt im Wahlkampf verspricht, wird nicht reichen. Aber es wäre ein wichtiger Schritt. Dafür braucht es allerdings grünes Licht der EU-Kommission. „Wir müssen die Zukunftstechnologien viel stärker fördern, die Forschung und Entwicklung stärken und weiter auf die exzellente Fachkräfte-Expertise unserer Menschen setzen“, fordert Katzek.

Sechstens: Für Standortvorteile von Zwickau werben

VW hat erst vor wenigen Jahren rund eine Milliarde Euro in den Umbau der Zwickauer Fabrik zum reinen E-Werk investiert. Der Standort ist laut Vogel eigentlich ein idealer Produktionsstandort, auch wegen seiner Zulieferdichte in der Nähe. So dachten offenbar viele, das Werk sei nicht gefährdet. Zwar hätten Michael Kretschmer und Martin Dulig sich in der VW-Krise immer wieder warnend zu Wort gemeldet. „Aber das kam nicht als Gesamtposition der Landesregierung an. Besser wäre es gewesen, sie hätten sich zu dritt ins Auto gesetzt und wären nach Wolfsburg gefahren“, meint der AMZ-Manager rückblickend.

Der Dritte im Auto hätte Energieminister Wolfram Günther von den Grünen sein müssen. Nun gibt es eine neue Landesregierung und aus Sicht von Vogel sollte die Fahrt jetzt nicht nach Wolfsburg, sondern nach Ingolstadt gehen. Politik wie Betriebsrat müssten sich bei der Erstellung eines Zukunftskonzepts stärker mit Audi auseinandersetzen. Zwickau ist die historische Geburtsstätte von Audi und das sei nicht das einzige Argument, was für den Standort spricht.

SZ

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