Von Steffen Gerhardt
Am Freitagmittag hat es die Belegschaft von der Geschäftsführung erfahren: Der Nieskyer Waggonbau hat die vorläufige Insolvenz am Donnerstag beantragt. Das zuständige Amtsgericht in Dresden soll dem zugestimmt haben und einen vorläufigen Sachverwalter eingesetzt haben.
Für Betriebsratsvorsitzenden Peter Jurke ist diese Nachricht ein Schock, den er erst einmal setzen lassen muss, sagte er am Freitag zur SZ. In den kommenden Tagen werden sich Betriebsrat, Geschäftsführung, Sachwalter und die vom Unternehmen beauftragte Rechtsanwaltsgesellschaft aus Leipzig zusammensetzen und das weitere Vorgehen besprechen. Vertreter der IG Metall waren am Freitagnachmittag für die SZ für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.Die Waggonbau-Eigentümer wählten eine Insolvenz im sogenannten Schutzschirm-Verfahren. Dabei verliert laut Insolvenzordnung der Unternehmer nicht die Kontrolle über seinen Betrieb. Er steht lediglich unter der Aufsicht von Insolvenzgericht und Sachwalter und ist für drei Monate vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt. Innerhalb der drei Monate hat der Unternehmer ein Sanierungskonzept auszuarbeiten.
Der Insolvenzantrag geht einher mit einem Wechsel in der Geschäftsführung. Matúš Babík führt nicht mehr den Nieskyer Traditionsbetrieb. An seine Stelle setzte der Mutterkonzern Tatravagonka eine andere Person. Darüber wurde auch die Belegschaft informiert. Seine Aufgabe ist es, den Betrieb neu aufzustellen. Wie Sachwalter Jörg Schädlich gegenüber SZ sagte, sei es das Ziel, die Produktion von Güterwaggons für die derzeit rund 200 Beschäftigten aufrechtzuerhalten. Ebenso sollen die Lohnzahlungen gewährleistet sein, die bisher immer pünktlich auf die Konten der Mitarbeiter eingingen.
Seit 25 Wochen stehen Mitarbeiter des Nieskyer Waggonbaus einmal pro Woche vor dem Werktor als Mahnwache. Sie fürchteten bereits seit geraumer Zeit, dass der slowakische Eigentümer das Werk in Niesky Ende dieses Jahres schließen werde. 2018 übernahm Tatravagonka den Nieskyer Standort und garantierte den Betrieb bis Ende 2023. Seit Monaten drängte die Belegschaft mit dem Betriebsrat und der IG Metall auf Gespräche mit Tatravagonka über die Zukunft des Werkes. Dieses Gespräch kam bislang nicht zustande.
Der Nieskyer Waggonbau besteht seit 1835 und erlebte nach der Wende einige wirtschaftliche Turbulenzen bis hin zur Insolvenz im Jahre 2017. Es ist der letzte Produzent von Güterwagen in Deutschland.