Von Andreas Rentsch
Es ist ein überschaubarer Markt: 2.364 gebrauchte Elektroautos sind vergangenes Jahr in Sachsen verkauft worden. Das entspricht laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) einem Anteil von einem Prozent am gesamten Gebrauchtmarkt mit 231.465 Besitzumschreibungen. Bundesweit sieht es ähnlich aus. Die niedrige Quote sei keineswegs nur den vergleichsweise hohen Preisen geschuldet, sagt der Autohändler und E-Auto-Pionier Frank Demmler aus Wilkau-Haßlau.
Herr Demmler, Sie verkaufen seit fast zehn Jahren Elektroautos. Woran liegt es, dass wenige gebrauchte Stromer ver- und gekauft werden?
Das hat verschiedene Gründe. Einer ist die seit fast zwei Jahren spürbare Verunsicherung in der Gesellschaft. Dadurch tendieren Menschen zu dem, was sie kennen und ihnen vertraut ist. Oder sie verschieben eine Kaufentscheidung – nicht nur beim Auto. Elektromobilität ist für die meisten immer noch etwas Neues, Ungewohntes.
Sind nicht schlicht die Durchschnittspreise für gebrauchte E-Autos zu hoch?
Das Argument muss man schon gelten lassen. Doch die Kaufentscheidung ist auch getrieben von der allgemeinen Stimmung. Da gibt es beim Thema E-Mobilität viel „Ich habe gehört…“ und „Man sagt…“. Auf der anderen Seite kommen Leute zu mir, die seit Kurzem eine Photovoltaikanlage auf dem Hausdach haben und sich jetzt fragen, was mit dem selbst erzeugten Strom passieren soll. Für das Gefühl „Ich verfahre meinen eigenen Strom“ treffen sie eine wirtschaftlich fragwürdige Entscheidung: Sie geben ihren intakten Verbrenner-Pkw ab, mit dem sie zufrieden waren, und steigen auf ein Elektroauto um.

© Marijan Murat/dpa
Ist es nicht aber so, dass sich gerade für diesen Personenkreis die Anschaffung eines E-Autos am ehesten lohnt?
Im Normalfall ja. Aber häufig fahren diese Leute so wenig, dass sich die ganze Investition nicht rechnet.
Mit welchen Preisvorstellungen kommen E-Auto-Interessenten zu Ihnen?
Es gibt bestimmte Preisschwellen. Die liegen aber bei jedem woanders. Wobei zu sagen ist, dass ein überproportional hoher Anteil der Kunden least oder mietet. Damit begegnet man der Unsicherheit, was mit der Batterie wird, wenn das E-Auto älter ist. Das Risiko wird ausgelagert.
Wie begegnen Sie als Händler der Zurückhaltung der E-Auto-Skeptiker?
Indem wir sagen: „Mieten Sie das Auto mal für einen Monat. Wenn es danach zum Kauf kommt, rechnen wir die Miete auf den Kaufpreis an. Wenn nicht, stellen Sie das Auto einfach wieder auf den Hof.“ Das ist der Schlüssel für fast jeden Verkauf. Es gibt nur ganz wenige, die schon über alles Bescheid wissen und nur noch den Kauf abwickeln wollen.
Welche Autos bieten Sie zum Test an, und was kostet das?
Den Dacia Spring oder den Renault Zoe. Beim Zoe geht es mit einer Monatsmiete von 300 Euro los. Das ist eine überschaubare Größe für viele. Zudem haben Kunden, die ihr Auto bei uns in die Werkstatt bringen, seit fast zehn Jahren die Option auf einen elektrischen Werkstattwagen.
Wie viele nehmen das Angebot an?
Etwa jeder Zweite.
Hängen die geringen Verkaufszahlen gebrauchter E-Autos auch mit dem geringen Angebot zusammen?
Das glaube ich nicht. Eine große Anzahl von Modellen fördert nicht die Kaufentscheidung. Vielfalt kann auch verwirren. Es ist eher so, dass den Kunden die Vorstellung fehlt, was zu ihnen passt.
Für viele ist die im Vergleich zu Verbrennern geringe Reichweite ein Ausschlusskriterium…
Klar ist es blöd, wenn man auf der Fahrt von Zwickau nach Hamburg zweimal laden muss. Andererseits: Wenn jemand einen Tesla cool findet, ist auch das Laden kein Problem mehr. Das ist wie bei Stöckelschuhen. Solange die gut aussehen, ist es okay, wenn sie ein bisschen drücken. Daneben gibt es Faktoren, die sich nur durch „Erfahren“ – im doppelten Wortsinn – vermitteln lassen. Etwa die Leichtigkeit des elektrischen Fahrens und die Ruhe dabei.

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Ein handfestes Gegenargument ist die Unsicherheit hinsichtlich des Akkus und die horrenden Kosten, wenn er jenseits der Garantiezeit getauscht werden muss. Was sagen Sie dazu?
Diese Frage stand von Anfang an. Händler müssen hier überlegen, wie sie die Bedenken entkräften können. Zum Beispiel, indem sie für den Fall eines Defekts oder eines Absinkens der Restkapazität unter ein bestimmtes Maß eine Rückkaufgarantie geben. In der Praxis ist ein Akkutausch aus Kapazitätsgründen die absolute Ausnahme.
Natürlich bieten über zehn Jahre alte E-Autos vereinzelt nur noch die Hälfte ihrer ursprünglichen Reichweite. Wir hatten aber auch schon einen VW eUp auf dem Hof, der nach zehn Jahren noch 80 Prozent hatte. Wer sich an die schwindende Reichweite gewöhnt hat, lebt damit. Unabhängig davon gibt es schon Batterietauschservices und -Recyclinganbieter. Deren Problem ist aber, dass sich dieses Geschäftsmodell noch nicht wirklich rechnet.
Wer kauft denn jetzt schon die älteren gebrauchten, vergleichsweise günstigen Elektroautos?
Fahrzeuge, die nach einem Unfall repariert werden müssen, gehen zum Beispiel in die Ukraine oder nach Weißrussland. Diese Erfahrung haben wir selber gemacht, wenn wir solche Autos zu einem bestimmten Preisniveau im Netz inserieren.
Wo sollten Käufer bei gebrauchten E-Autos besonders genau hinschauen?
Dass das Auto gepflegt und regelmäßig zur Inspektion gewesen sein sollte, muss nicht extra erwähnt werden. Den Batterien kommt natürlich eine Schlüsselrolle zu. Dekra, Tüv und andere große Player haben Testsysteme in den Startlöchern, mit denen sich aussagefähige Daten zum Zustand des Akkus gewinnen lassen. Manche werden im Stand angestöpselt, bei anderen muss man ein Stück fahren. Wenn Sie kein Vertrauen zum Händler haben, sollten Sie auf jeden Fall den Akku testen und sich ein Zertifikat ausstellen lassen.
Welche E-Auto-Marken sind aus Ihrer Sicht zu empfehlen, bei welchen sind Sie eher skeptisch?
Marken nennen möchte ich eigentlich nicht. Es gibt überall Vor- und Nachteile. Was die chinesischen Autobauer betrifft, muss ich sagen: Ich traue denen allerhand zu, aber den Service noch nicht.
Da Sie schon seit dem Marktstart in Deutschland mit Tesla verbandelt sind, gehe ich davon aus, dass Sie diese E-Auto-Marke für eine gute halten.
Ja, doch. Die spielen in einer anderen Liga, weil sie das Thema ganz anders angegangen sind. Salopp gesagt, haben die ein iPad genommen und ein Auto drumherum gebaut, während die anderen Hersteller erst mal einen Elektromotor in eine Verbrenner-Karosse eingebaut haben.

© Thomas Kretschel
Was raten Sie für den Gebrauchtkauf von Privat zu Privat?
Vertrauen ist der Schlüssel. Legt ein Verkäufer alles offen, ist er transparent, nimmt er sich Zeit? Wer nichts zu verbergen hat, lässt auch einen Batterietest machen. In der jetzigen Situation und dem Umfeld von Unsicherheit spielt die persönliche Beziehung wieder eine große Rolle. Das gilt beim Privatverkauf genauso wie zwischen Händler und Kunden.
Wie kommt der Markt für gebrauchte E-Autos in Schwung?
Grundsätzlich lässt sich sagen: Das E-Auto hat seine Berechtigung. In vielen Szenarien ist es sinnvoll. Pflegedienste aus der Region mieten jedes Jahr ein Auto mehr. Das sind die, die mit jedem Cent rechnen. Ein Malerbetrieb aus Chemnitz hat bei mir zwei Transporter gekauft, obwohl die nur 100 Kilometer Reichweite haben. Was nicht funktioniert, ist, E-Mobilität vorzuschreiben. Wäre dieser Vorschriftsdruck nicht, wären vielleicht schon mehr umgestiegen. Doch die Leute mögen es nicht, gedrängelt und gegängelt zu werden.