Von Luisa Zenker
Frau Thombansen, Sie helfen Dresdner Unternehmen dabei, indische Fachkräfte zu gewinnen. Wie läuft momentan die Anwerbung?
Schleppend. Seit Januar haben wir 2.000 qualifizierte indische Fachkräfte gefunden, die für die Dresdner Unternehmen ideal gewesen wären. Doch bisher konnten wir noch keinen einzigen Bewerber mit einem Unternehmen verbinden.
Liegt das an den Unternehmen oder an den indischen Bewerbern, dass noch keiner eingestellt wurde?
Ersteres, viele Unternehmen sagen: Wir brauchen Fachkräfte, aber aus dem Ausland lieber nicht. Das empfinde ich als risikoreich, weil der Fachkräftemangel definitiv da ist und sich mit dem demografischen Wandel verstärken wird. Wir kennen Unternehmen, bei denen 30 Prozent der Belegschaft in den nächsten 10 Jahren in Rente gehen. Dieses Problem werden wir nicht allein mit Fachkräften von hier lösen, sondern wir brauchen die Zuwanderung von außerhalb.
Warum sind die Dresdner Unternehmen dann so zögerlich?
Bei der Halbleiterindustrie wissen wir, dass die wirtschaftliche Lage zu Einstellungsstopps geführt hat. Da gehen wir von aus, dass sich das bald wieder beruhigt. Der andere Grund ist, dass sich viele Unternehmen nicht trauen, einen solchen Schritt zu gehen.
Das heißt…
… dass sie immer noch sagen: Dann warte ich lieber und lasse die Position unbesetzt.
Also lieber keine Fachkräfte als indische Fachkräfte.
Es ist schon eine große Hürde für die Unternehmen. Wir hören dann manchmal: Kann ich die Verantwortung übernehmen, dass jemand sein ganzes Leben umkrempelt? Hier wünschen wir uns mehr Augenhöhe: Wenn jemand aus Indien sich bewirbt, dann kann man dieses Angebot auch annehmen.
Hat es auch mit dem bürokratischen Aufwand zu tun?
Ja, es ist kompliziert, deshalb empfehle ich den Unternehmen, holt euch Profis dazu. Mit dem neuen Fachkräfte-Einwanderungsgesetz wird es auch noch mal einfacher werden. Momentan dauert es circa sechs Monate von dem Bewerbungsgespräch bis zum Arbeitsbeginn.
Dazu kommen noch Visa, Wohnungssuche, Einarbeitungszeit…
Definitiv, es ist teurer für die Unternehmen. Aber ganz ehrlich, wie teuer ist es denn, diese Position nicht zu besetzen? Wir wissen, dass Unternehmen teilweise ihre Aufträge nicht erfüllen können, weil sie keine Fachkräfte dafür haben.
Gibt es noch einen anderen Grund für die zögerliche Haltung?
Es fehlt bei den Dresdner Unternehmen an Erfahrungen. Wenn ein Unternehmen viele internationale Mitarbeiter hat, dann ist das keine große Hürde, weitere zu integrieren. Doch in Dresden haben wir einen großen Pool von Unternehmen, die diese Erfahrung noch nicht gemacht haben und die sagen: Das ist kompliziert, das ist bürokratisch und das wird nachher nicht klappen, weil es vielleicht kulturelle Unterschiede gibt. Das heißt, die Barrieren im Kopf sind noch relativ groß.
Aber ist es nicht tatsächlich schwieriger, mit internationalen Fachkräften zu arbeiten?
Menschen, die aufeinandertreffen und zusammenarbeiten, das ist immer schwierig – ob in einem deutschen oder einem rein international agierenden Unternehmen. Auch die Unternehmen selbst müssen sich anpassen: Zum Beispiel, dass sie die eigene Belegschaft mit Englischunterricht unterstützen oder die Erwartungshaltung abwerfen, alles muss in perfektem Deutsch passieren. Das funktioniert nicht. Die indischen Fachkräfte, die kommen, werden relativ wenig Deutsch können. Das ist bei den IT-Unternehmen nicht so das Problem. Aber in anderen Unternehmen muss Englisch auch normal werden.
Wie reagieren Sie denn jetzt auf die zögerliche Haltung?
Wir wollen unsere Kampagne auf sächsische Unternehmen ausweiten, damit wir es mehr Unternehmen anbieten können, die bereits dafür bereit sind.. Jeder der 2.000 Bewerber könnte in einem sächsischen Unternehmen eine Stelle finden. Außerdem denken wir darüber nach, unser Portfolio zu erweitern auf Produktionsmitarbeiter. Momentan haben wir uns auf High-Professionals beschränkt, also sehr gut ausgebildete Ingenieure. Aber zum Beispiel die Elbe-Flugzeugwerke benötigen mehr Beschäftigte in der Produktion.
Das wirft ein seltsames Bild auf indische Fachkräfte, die nach dieser Logik nur Fabrikarbeiter und nicht Ingenieure sein sollen.
Im Gegenteil, sie sind jetzt besonders relevant für den Erfolg des Unternehmens, blue collars, also Fabrikarbeiter, sind genauso wichtig und qualifiziert.
Und wie wollen Sie die Vorurteile in den Unternehmen abbauen?
Machen! Also Vorurteile kriege ich nicht weg, indem ich denen erzähle, dass das alles nicht so ist. Ich kriege es nur hin, indem ich Beispiele zeige, wie es anders gelaufen ist. Wenn sie dann entscheiden, aufgrund ihrer Vorurteile, das nicht zu tun, dann ist das ihr Problem.
Und vielleicht auch ihr Ruin.
Das haben Sie gesagt, aber wenn ein Unternehmen eine tolle Idee hat und dafür Mitarbeiter braucht, um diese Idee an den Kunden zu bringen, und es das nicht schafft, weil Mitarbeiter fehlen, dann führt das früher oder später zum unternehmerischen Bankrott.
Julia Thombansen ist Co-Geschäftsführerin von Intap-Network. Das Netzwerk startete im Oktober das Programm #HalloIndia – Grab your Germany Job! Mittels einer Plattform helfen die Mitarbeiter Dresdner Tech-Unternehmen dabei, qualifizierte Fachkräfte in Indien zu finden und nach Sachsen zu holen. Finanziert wird es überwiegend aus sächsischen Landesmitteln, Ziel ist es, dem Fachkräftemangel im Freistaat zu begegnen.