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Was 15 Sachsen auf der Hannover-Messe suchen

Roboter auf Spurensuche und Energie aus Wasserstoff: Sachsen könnte bei der Industrie-Messe in Hannover durchaus mitmischen, doch wo sind sie?

Lesedauer: 4 Minuten

Ein ferngesteuerter, weißer Roboter mit grünen Leucht-Augen strahlt in die Kamera
In den ferngesteuerten Roboter von der Firma Devanthro kann man auf der Hannover-Messe mit einer VR-Brille hineinschauen.

Von Luisa Zenker

Hannover/Dresden. Ein gelbes Ding huscht durch die Menschenmenge. Auf Vierbeinen stakst es zwischen den Stehtischen der Hannover-Messe entlang, springt über braune Lackschuhe und rennt an dunkelblauen Anzughosen vorbei. Smartphones werden aus den Hosentaschen geholt, Blitze durchleuchten die Halle, um von dem Roboterhund „Spot“ ein Foto zu posten.

Normalerweise ist der Hund von Getac Technology auf der Suche nach Gefahrstoffen, überwacht Anlagen und sammelt Messwerte. Hier ist er das Messehighlight schlechthin und verkörpert die Industrie 4.0 in persona. Denn künstliche Intelligenz ist eines der Trendthemen in der derzeit stattfindenden Industrieschau, der weltgrößten Investitionsgütermesse. ChatGPT, Künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen, in fast allen Hallen und Gesprächen tauchen diese Schlagwörter auf.

Auch der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) beschäftigt sich an diesem Tag in der Messe mit Künstlicher Intelligenz. Er sieht in der Robotik das Potenzial, körperlich schwere Arbeit zu verbessern. „Auf diese Weise hilft das maschinell geführte Arbeiten dem Fachkräftemangel ab und macht den Industrie-Arbeitsmarkt außerdem für neue Mitarbeitergruppen attraktiv“, sagt der Minister im Nachgang.

Doch nicht nur die Roboter sind gefragt: Windräder drehen sich in Miniaturgröße auf einem Stehtisch. Mit der Kombination „Clean, green, sustainable“ wirbt ein Aussteller für die Wasserstofftechnologie. Moos überzieht die Trennwände zwischen den Ständen, wo Schokobonbons und Kaffee auf Gespräche einladen sollen: „Was fahren Sie für ein Auto?“ – „Einen Hybrid. Das ist für mich super. In der Stadt fahr ich Elektro und draußen mit Verbrenner. Von Dresden nach Berlin muss es klappen.“

Martin Dulig lächelt beim Antworten. Vor ihm stehen Schweizer und Chemnitzer gemeinsam an einem Messe-Stand und präsentieren eine internationale Kooperation. Das sächsische Unternehmen Sitec und die Mitarbeiter von Feintool aus dem Nachbarland haben eine industrielle Fertigung für das Herzstück der Brennstoffzelle entwickelt: die Biopolarplatte. Durch diese Technik wird der Wasserstoff mit Sauerstoff aus der Luft zu Wasser umgesetzt. Am asiatischen Markt haben sie sich bereits etabliert. Nun wollen sie die Platten auch für Brennstoffzellen und Elektrolyseure in Europa industriell produzieren.

Wasserstoff, E-Fuels, Elektro: Auf der Suche nach Lösungen

„Noch vor vier Jahren gab es nur einzelne Forschungsgruppen zum Thema Wasserstoff auf der Messe, jetzt werden in einer ganzen Halle Lösungen angeboten“, sagt der Minister. Doch diese Lösungen ringen umeinander, konkurrieren und kooperieren: Strom, Wasserstoff, synthetischer Sprit: Womit werden Güter und Menschen in Zukunft transportiert? Lauscht man den Vorträgen von Energieunternehmen wie GP Joule oder Siemens Energy, die eine ganze Hallenmitte gemietet haben, kommt man zu unterschiedlichen Schlüssen. Für ihre Strategien interessieren sich auch 15 sächsische Unternehmer und Unternehmerinnen aus dem Mittelstand. Sie haben sich an diesem Montag mit einem Reisebus von der sächsischen Innovationsplattform Future Sax auf den Weg zur Industrieschau gemacht. Unter der erstmaligen Aktionr findet sich auch der sächsische Unternehmensentwickler Bernd Saupe: „Für die Energieversorgung braucht es verschiedene Lösungen, regionen-abhängig, situations-abhängig, menschen-abhängig“, fasst er nach den Vorträgen zusammen. Er ist zum ersten Mal auf der Industrieschau und trifft alte und neue Gesichter aus Israel, der Türkei und dem diesjährigen Messepartnerland Indonesien. Nach einem Land fahndet er aber vergebens.

Denn auf dem Messerundgang sei er auf der Suche nach sächsischem Kuchen gewesen. „Den gibt’s hier nicht“, habe ihm ein Aussteller vom Thüringer Stand zugerufen und ihm eine Brezel geschenkt. „Sachsen hat es verschlafen“, so der 56-Jährige. Und tatsächlich hält man auf der Messe vergeblich Ausschau nach einem sächsischen Großstand. „Wir haben Hightech-Industrie, aber nichts ist zu sehen“, sagt Saupe bedauernd.

Im Gegensatz zu Sachsen hat Baden-Württemberg groß aufgefahren: „The Länd“ prangt es schwarz auf gelb in mehreren Hallen. Start-ups, Energiekonzerne, Automobilzulieferer, hier fallen kleine sowie große Firmen durch Zusammenarbeit auf. „Nächstes Jahr wird es auch einen sächsischen Gemeinschaftsstand geben“, verspricht Martin Dulig, fügt jedoch im gleichen Atemzug hinzu, dass man sich so einen großen Stand wie Deutschlands Süden nicht leisten könne. Aber nicht nur der sächsische Großstand fehlt, auch die Zahl der sächsischen Aussteller an der Industrieschau befindet sich seit mehreren Jahren im Tiefflug, sie sank von 200 in den 1990ern auf rund dreißig Teilnehmer.

„Messen sind auch teuer“, gibt Karl Lötsch zu. Der Geschäftsführer vom sächsischen Wasserstoffcluster Hzwo ist mit einem Stand vor Ort und kann dadurch mehreren Unternehmen Präsenz verschaffen. Pro Quadratmeter aber kostet ein Stand einige hundert Euro, plus Übernachtung in einer Stadt, die in dieser Woche zu mehr als 90 Prozent ausgebucht ist.

Hannover-Messe: Von 6.000 auf 4.000 Aussteller

Doch nicht nur Sachsen befindet sich auf Sparflamme, insgesamt ist die Zahl der Aussteller zurückgegangen. Waren vor der Pandemie noch 6.000 Unternehmen, Institute, Start-ups aus aller Welt in den Hallen zu finden, sind es jetzt 4.000. Mitorganisator Andrej Gross von der Deutschen Messe ist trotzdem sehr zufrieden. „Ich habe zwischendurch gedacht, dass es nie mehr eine Messe geben wird“, gesteht er ein, und verweist darauf, dass dieses Jahr die Industrieschau erstmalig nach der Pandemie in Präsenz stattfinden kann.

Und auch wenn nur noch 17 der 27 Hallen mit Industrieprodukten gefüllt sind, entwickelt habe sich die Messe trotzdem: „Es geht nicht mehr nur überwiegend um Schrauben und Zulieferer“, so Gross. Wasserstoff, Klimaneutralität, Künstliche Intelligenz, Kreislaufwirtschaft, Robotik, Energie – all das könne seiner Meinung nach noch weiter ausgebaut werden. Und die Sachsen? Wo spielen sie mit?

Für Martin Dulig beim Wasserstoff, in der Mikroelektronik, der Künstlichen Intelligenz, doch auch in der Gründerszene: So versammeln sich etwa zwölf sächsische Start-ups gemeinsam in der Start-up-Halle, darunter findet sich auch das vom Fraunhofer-Institut ausgegründete Dresdner Unternehmen Dive. Die fünf Gründer präsentieren an dem Stand eine hyperspektrale Maschinen-Kamera. Sie soll bei der Herstellung von Mikrochips Fehler an der Oberfläche erkennen. Einen Prototyp haben sie bereits für Bosch entwickelt, nun sind sie für Infineon aktiv. „Die Messe ist wie ein Bauchladen, es gibt von allem alles“, sagt der Gründer und Chemiker Philipp Wollmann. Er habe bereits Technologien auf der Messe gesehen, die auch ihrer Kamera weiterhelfen könnten. „Genau durch dieses branchenübergreifende Denken entstehen die Innovationen.“

Und mit diesen neuen Ideen steigen auch die sächsischen Unternehmer wieder in den Bus. „13.280 Schritte an einem Tag“, fasst der Unternehmensentwickler Bernd Saupe aus Dresden zusammen, der jede Halle einmal sehen wollte. Im Bus schwärmen er und die anderen noch immer von dem Hund aus Metall und Kunststoff: „Es reicht eben nicht, einfach Roboter zu erfinden, sondern man muss ihn auch einsetzen. Die Erfindung muss Sinn machen.“

Bis zum 21.April präsentieren Unternehmen auf der Industrie-Messe in Hannover neueste Technologien aus dem Maschinenbau, der Elektro- und Digitalindustrie sowie der Energiewirtschaft. In Vorpandemiejahren kamen rund 225.000 Besucher zur großen Industrie-Messe in Hannover. In diesem Jahr findet sie erstmalig wieder vollständig in Präsenz statt.

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