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Was Frauen in die Tech-Branche bringt

Die Chiphersteller im Silicon Saxony müssen Tausende Stellen besetzen. Frauen sind gefragt. Globalfoundries, SAP und Deutsche Telekom fördern die Vernetzung.

Lesedauer: 4 Minuten

Eine Gruppe Kinder schaut in Ganzkörperanzügen in die Kamera.
Sich fühlen wie die Eltern. Einmal im Jahr können die Kinder von Globalfoundries-Beschäftigten die Chipfabrik besuchen. Foto: PR/Globalfoundries

Von Nora Miethke

Für Kinder ist es oft das Schönste, einen Tag mit Mama oder Papa zur Arbeit mitzukommen, um selbst zu erleben, wohin die Eltern eigentlich jeden Tag verschwinden und wie ihr Beruf wirklich aussieht. Doch es gibt Berufe oder Arbeitsplätze, da kommt man nicht so einfach hin – auf die Intensivstation im Krankenhaus oder in den Reinraum einer Chipfabrik.
Nicole Brach und Ida Richter, zwei Mitarbeiterinnen bei Globalfoundries in Dresden, geht das so und das wollten sie ändern. „Bring your kids to work“ heißt ihr Projekt, das sie vor rund einem Jahr gestartet haben. In den Herbstferien konnten zum zweiten Mal 32 Kinder von GF-Beschäftigten im Alter von 10 bis 15 Jahren fast einen ganzen Tag die Fabrik des US-Halbleiterriesens erkunden, inklusive Kantine und Reinraum. „Es klingt nicht so aufregend, aber allein die Schuhe für die Kinder in den richtigen Größen zu organisieren und den Sicherheitsdienst zu bestellen, ist ziemlich anspruchsvoll“ berichtet Nicole Brach. Das Beste für die Kinder war nach eigenem Bekunden, einen Wafer zu zerbrechen und der Kakao aus der Kaffeemaschine. Mancher Sohn war so begeistert, dass er gleich ein Praktikum machen will. Das Projekt hilft auch dem Recruiting.
Entstanden ist die Idee im „Use Education-Team“ im Frauennetzwerk „Globalwomen“ des Chipunternehmens, in dem Nicole Brach und Ida Richter aktiv sind. Der US-Chiphersteller setzt sehr auf die Förderung von Frauen, vielleicht liegt auch deshalb der weibliche Anteil unter den Beschäftigten mit rund 20 Prozent über dem Branchendurchschnitt. Die Frauen wissen es zu schätzen, dass ihr Arbeitgeber ihnen die Möglichkeit gibt, sich in der Arbeitszeit zu vernetzen und Wissen auszutauschen über Karriereplanung, Rückkehr aus der Elternzeit oder, wie man als weibliche Führungskraft in einem Männer-Team besteht. 30 Minuten pro Woche dürfen sie dafür einplanen, macht immerhin zwei Stunden im Monat.
Im Herbst war Globalfoundries dann auch Gastgeberin der zweiten Konferenz der Society of Women Engineers Dresden (SWE Dresden). Dahinter verbirgt sich eine der wichtigsten Organisationen für Frauen in technischen Berufen, die es Frauen ermöglicht, in der Technik erfolgreich zu sein und für ihre lebensverändernden Beiträge als Ingenieurinnen und Führungskräfte anerkannt zu werden. Die SWE wurde vor mehr als 70 Jahren in den USA gegründet und hat heute Ortsverbände in mehr als 80 Ländern. In Dresden trafen sich über 150 Frauen aus der sächsischen Halbleiterindustrie und Informations- und Kommunikationstechnologie-Branche. Auf dem Programm stand der Austausch über Fragen, wie man Karrierepläne in unsicheren Zeiten aufstellt, eigene Stärken und Schwächen analysieren lernt oder auch gemeinsam überlegt, wie man Rollenvorbild für andere Frauen sein kann.
Gespräche mit Chefs nicht scheuen
Janine Steidelmüller ist so ein Role Model. Als 14-Jährige wollte sie Krankenschwester werden und von Gera nach Erfurt kommen. Dass sie eines Tages bei SAP arbeiten und eine Führungsrolle bekleiden würde, stand nicht in ihrem Karriereplan. Die 38-Jährige leitet ein Team für die Softwareentwicklung mit 15 Leuten aus elf verschiedenen Nationen. Ein Drittel sind Frauen. Dass dies nicht selbstverständlich ist, weiß Steidelmüller am besten. Auf eine offene Stelle bekam sie jüngst 180 Bewerbungen, darunter von fünf Frauen. Warum sich junge Frauen und Mädchen für einen technischen Beruf oder einen MINT-Studiengang wie Informatik oder Elektrotechnik entscheiden sollten – da hat sie eine klare Antwort: „Wenn du die Welt mit gestalten willst, dann musst du in diese Studiengänge gehen.“ Mikrochips und Software machten die Welt der Zukunft aus, sie hätten überall Einfluss darauf, wie wir arbeiten und leben.
Sie selbst hat in Dresden Wirtschaftsingenieurwesen studiert und ihr Glück war, dass sie einer Managerin begegnet ist, die ihre Mentorin wurde. Nun fragt sie sich selbst im Alltag immer wieder: „Welche Art von Chef will ich selbst haben?“ und versucht, danach zu handeln.
Frauen, die Karriere machen wollen in Hightech-Branchen, empfiehlt sie, regelmäßig Feedback einholen, Talentprogramme nutzen, nach flexiblen Arbeitszeitmodellen fragen und sich in Frauennetzwerken engagieren – auch SAP in Dresden hat eines. Ein Tipp liegt ihr besonders am Herzen. Offene Gespräche mit Vorgesetzten darüber führen, was einen im Job glücklich macht und was nicht. Ihre Standardfrage an ihre Teammitglieder sei immer: Was brauchst du von mir?

Mut zum Teamwechsel
Katrin Vagt, Projektleiterin bei Deutsche Telekom MMS in Dresden, berichtete offen über ihren Veränderungsprozess, ein Team zu wechseln – getreu dem Credo: „Gestalte dir deinen Traumjob, in dem du deinen individuellen Weg gehst. So der Titel des Vortrags, den Vagt gemeinsam mit ihrer Kollegin Astrid Müller-Wenzke auf der Konferenz hielt.
Vagt ist davon überzeugt, in dem Moment, in dem man eine Arbeit mache, die den Grundbedürfnissen entspreche , man eine Verbindung zu Kollegen hätte und die eigene Selbstwirksamkeit spüre, sei man automatisch gut. „Und dann kommt alles andere hinterher, auch die Position. Wer dagegen auf einer Position ist, wo man den inneren Ansprüchen nicht genügt, kämpft zu viel, und das geht auf die Gesundheit. Das trifft vor allem für Frauen zu.
Vagt weiß, wovon sie spricht. Die studierte Betriebswirtin und Kommunikationspsychologin sollte als Servicemanager ein Team von Systemingenieuren führen. Sie fühlte sich nicht am richtigen Platz, nicht, weil ihr der technische Hintergrund fehlte, sondern, weil das Team keine Führungskraft von außen zulassen wollte. Wissen wurde nicht geteilt, Leute ausgegrenzt, die Gruppendynamik stimmte nicht. „Ich brauchte zwei bis drei Jahre, um herauszufinden, dass für mich die beste Option ist, das Team zu verlassen“, sagt Vagt. Als Scheitern hätte sie das gar nicht empfunden. Sie hätte es versucht, sei nicht weitergekommen und nun an einem Punkt angelangt, „wo ich mit meinen Fähigkeiten und Kompetenzen richtig bin“, sagt die 53-Jährige. Sie ist jetzt Projektleiterin mit einem sehr kleinen Team, mit dem sie aber viel selbst gestalten kann.
Vagt, die noch zu DDR-Zeiten Bekleidungsfacharbeiterin lernte, rät ebenfalls jungen Frauen, sich auf technische Berufe einzulassen. Die Hightech-Branchen seien Branchen, in denen gerade viel passiere und man immer seinen Platz fände. Es gibt viele leitende Funktionen und Querschnittspositionen, sodass nicht alle Frauen studierte Technikerinnen sein müssen. „Wer Gestaltungswille hat, sollte dort hingehen“, so ihr Tipp.
Nicole Brach, die seit 2011 bei Globalfoundries arbeitet, hat noch viele Ideen, wie sie „Bring your Kids to work“ ausbauen kann. Jetzt wollen sie und ihre Mitstreiterinnen aber erst einmal in Grundschulen Workshops mit Drittklässlern über Künstliche Intelligenz starten. „Denn die Jüngsten sind am meisten interessiert.“

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