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Wer ist der Retter des Görlitzer Waggonwerks?

Am Mittwoch verkünden Bundeskanzler Scholz, Sachsens Ministerpräsident Kretschmer und Manager des Rüstungsunternehmens KNDS, wie es nach der Übernahme weitergeht. Aber wer verbirgt sich hinter den vier Buchstaben?

Lesedauer: 2 Minuten

Michael Rothe

Dresden. Am Mittwoch erfahren die knapp 700 Beschäftigten des Waggonbaus in Görlitz, ob und wie es für sie weitergeht. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sowie hochrangige Manager des Bahntechnik-Herstellers Alstom und des Rüstungskonzerns KNDS informieren über die Zukunft des Standorts.

Am Geburtsort der Doppelstockzüge, wo seit 175 Jahren Schienenfahrzeuge gebaut wurden, sollen ab 2026 Teile für zwei schwere Waffensysteme entstehen. Aber wer verbirgt sich hinter den vier Buchstaben, die etwa der Hälfte der Leute den Job sichern sollen?

KNDS seit Jahren auf Expansionskurs

KNDS N.V. ist ein deutsch-französischer Rüstungskonzern mit Sitz in Amsterdam. Er entstand 2015 durch Fusion der Konkurrenten Krauss-Maffei Wegmann und Nexter und erwirtschaftete 2023 mit weltweit rund 9.500 Beschäftigten einen Umsatz von 3,3 Milliarden Euro. N.V. steht für naamloze vennootschap, „namenlose Partnerschaft“, die niederländische Rechtsform für eine Aktiengesellschaft.

Das Produktspektrum umfasst Kampfpanzer wie den Leopard 2, Rad- und Kettenschützenpanzer wie Boxer und Puma, mobile Artilleriesysteme, Waffenstationen, komplexe elektrische und elektronische Geräte. Ferner werden Trainings sowie Wartungen und andere Dienstleistungen angeboten. Der Konzern stand wiederholt wegen angeblicher Schmiergeldzahlungen – etwa nach Saudi-Arabien und Griechenland – in der Kritik, bestritt aber alle Vorwürfe.

Alstom fährt die Produktion herunter

Das Unternehmen ist seit Jahren auf Expansionskurs, nicht zuletzt wegen des Krieges in der Ukraine. Allein 2023 vermeldete es ein Auftragsplus von 130 Prozent zum Vorjahr. Der gesamte Auftragsbestand von Streitkräften aus über 30 Ländern liegt nach Unternehmensangaben bei 16 Milliarden Euro.

Der französische Bahntechnik-Hersteller Alstom hatte 2024 erklärt, den Waggonbau in Görlitz bis 2026 schließen zu wollen. Parallel liefen bereits Übernahmegespräche mit der Rüstungsfirma. Laut dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel fährt Alstom im nächsten Jahr die Produktion in Görlitz herunter, baut KNDS parallel nach und nach die Fertigung auf. Der Rüstungsriese investiere am Standort einen hohen zweistelligen Millionenbetrag, heißt es.

IG Metall froh und erleichtert

„Unser Blick ist nicht auf den nächsten Quartalsbericht gerichtet, sondern auf langfristigen Erfolg“, verspricht KNDS Deutschland auf seiner Website. Der Konzern denke, fühle und handle als Familienunternehmen. Das Portal Kununu bewertet den Arbeitgeber mit 3,2 von 5 Punkten aber nur unterdurchschnittlich – trotz Tarifbindung, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Gleitzeit, Bahncard, Deutschlandticket, Kantine, Betriebsarzt und anderer Vorzüge.

Dem Vernehmen nach will KNDS in Görlitz bislang importierte Baugruppen aus Panzerstahl für Leopard 2, Boxer und Radhaubitze RCH155 produzieren, die dann in München-Allach und Kassel verbaut werden. Die Investoren hatten ihr politisch umstrittenes Engagement maßgeblich von Aufträgen der Bundeswehr abhängig gemacht. Laut Spiegel hat die deutsche Armee in Summe mehrere Hundert dieser drei Waffensysteme bestellt. So soll der Standort bis in die 2030er-Jahre ausgelastet werden.

Die Waffen würden ohnehin gebaut, wenn nicht in Görlitz, dann woanders. – Uwe Garbe, Erster Bevollmächtigter der IG Metall für Ostsachsen

Die Pläne sind politisch umstritten. „Die zivile Eisenbahn-Produktion soll durch eine Panzer-Schmiede ersetzt werden. Dabei ist die Notwendigkeit für einen starken Eisenbahnbau wichtiger denn je“, sagt der Stefan Hartmann, Landesvorsitzender der Linken. Er nennt es „ein unbeschreibliches Versagen der Landes- und Bundespolitik, dass sie es nicht geschafft hat, diesen Standort in seiner jetzigen Form zu erhalten“. Die Partei hat am Mittwochmorgen eine Kundgebung vor dem Werk angekündigt. Auch BSW und Freie Sachsen üben Kritik – im Gegensatz zur rechtspopulistischen AfD.

Die IG Metall sieht den Deal positiv. „Klar freuen wir uns“, sagt Uwe Garbe, Erster Bevollmächtigter für Ostsachsen. Zwar gebe es in der Belegschaft „eine geteilte Stimmung“, aber die meisten seien froh und erleichtert, dass es weitergeht – wenn auch als Rüstungsbetrieb.

Der Gewerkschafter verweist auf die Alternative: den Waggonbau Niesky, der Insolvenz anmelden musste und mangels Interessenten 2023 stillgelegt wurde. „Die Waffen würden ohnehin gebaut“, sagt Garbe, „wenn nicht in Görlitz, dann woanders.“

SZ

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