Wie klingt denn das: Calcutron? Oder vielleicht Memotron? Solche Namensvorschläge kamen von sächsischen Mitarbeitern in der Büromaschinen-Industrie der 50er-Jahre. Doch Robotron setzte sich im Namenswettbewerb durch. Das Kunstwort aus Roboter und Elektronik stand später für ein ganzes Kombinat, eine Gruppe von Betrieben und Forschungseinrichtungen mit bis zu 68.000 Beschäftigten. Robotron mit Sitz in Dresden war das größte Industriekombinat der DDR und dort praktisch Alleinhersteller von Computern. Vor 50 Jahren wurde das Kombinat gegründet, am 1. April 1969 in Dresden.
Die ersten Computer waren nichts für den Schreibtisch zu Hause: Der R 300 mit einem Bedienpult von der Größe eines Klaviers wog 600 Kilo, der Hauptspeicher fasste 40.000 Zeichen. Doch das Produktionswerk in Radeberg stellte von 1968 bis 1972 davon 350 Exemplare her. Ein Muster wurde bereits 1966 auf einer Ausstellung in Moskau vorgezeigt, erinnert sich Professor Gerhard Merkel. Der langjährige Robotron-Direktor für Forschung war damals Stellvertreter des Ministers für Elektrotechnik und Elektronik und durfte Staatschef Walter Ulbricht durch die Ausstellung führen. Der sei ein „Fan der Automatisierung und Rechentechnik“ gewesen, sagt Merkel. Unter Erich Honecker dagegen endete die Förderstrategie in den 1970er-Jahren. Merkel bedauert, dass daraufhin der Werksneubau in Dresden östlich vom Rathaus auf vorgesehene Ausrüstungen verzichten musste.
Moskau bekam DDR-Großrechner gegen Öl und Gas. Doch Robotron stellte auch mehr als 650.000 Schreibmaschinen für Ägypten mit arabischer Tastatur her. Das westdeutsche Versandhaus Quelle war ebenfalls Großabnehmer von Schreibmaschinen, die in Erfurt und Karl-Marx-Stadt produziert wurden. Rund 20 Betriebe gehörten 1989 zum Kombinat, darunter der Stahlleichtbau in Pirna, Durotherm Sohland und die Volkseigenen Betriebe (VEB) Robotron-Elektronik in Radeberg, Riesa, Hoyerswerda und Zella-Mehlis.
Viele DDR-Bürger begegneten der Computertechnik wohl zuerst dank Banken- und Fahrkartenterminals. Die ersten Kleinrechner aus Radeberg wurden zum Beispiel in Kraftwerken, Stahlwerken und Mischfutteranlagen eingesetzt. Zunehmend lieferte das Kombinat Heimelektronik, auch Fernseher und elektronische Messtechnik.
Nach der Wende versuchte der letzte Generaldirektor Friedrich Wokurka vergeblich, Siemens als Kooperationspartner zu gewinnen, berichtet Merkel. Den Namen nutzt heute noch ein großes Dresdner Software-Unternehmen: die Robotron Datenbank-Software GmbH mit mehr als 560 Mitarbeitern. Von den Kombinats-Gebäuden östlich des Dresdner Rathauses sind viele schon abgerissen, auch Merkels Büro, das Gelände Lingnerstadt wird neu geplant. Die ehemalige Kantine steht noch, über ihre künftige Nutzung wird verhandelt.
Die Technischen Sammlungen Dresden öffnen am 2. April eine Sonderausstellung zum Robotron-Jubiläum. Das Firmenmuseum von Robotron Datenbank-Software in Dresden, Stuttgarter Straße 29, ist zunächst an folgenden Tagen geöffnet: 6. April, 17. Juni, 6. Juli sowie auf Anfrage.
Von Georg Moeritz
Foto: © Archiv/E. Höhne