Cathrin Reichelt
Roßwein. Zutaten mischen, Teig kneten, backen, buttern, zuckern – in diesem Jahr hat Jens Schmidt vier Wochen eher als üblich mit dem Backen der Stollen begonnen. Denn er muss „reifen“, bis er richtig schmeckt. Und er sollte besonders perfekt sein.
Die Stollenprüfung vor wenigen Tagen war das Ziel des Roßweiner Bäckermeisters. Im vergangenen Jahr konnte er aufgrund einer Erkrankung nicht daran teilnehmen. Aber in diesem Jahr bekam er für einen Rosinen- und einen Mandelstollen erneut das Prädikat „Sehr gut“. Die Auszeichnung mit „Gold“ ist erst in zwei Jahren wieder möglich. Denn dafür muss dieselbe Art Stollen dreimal in Folge „Sehr gut“ erreicht haben.
Kunden wollen es traditionell
In Bezug auf das Weihnachtsgebäck setzt Schmidt auf Tradition. Exotisches kommt nicht in den Ofen. Rosinen-, Mandel-, Mohn- und Marzipanstollen oder solcher mit bitterer Schokolade ist bei den Kunden beliebt. „Wir haben auch schon Nougat und Dinkel probiert, diese Sorten wurden jedoch nicht angenommen“, so der Bäckermeister. „Aber wenn jemand einen Nougatstollen möchte, kann er ihn bestellen. Er wird dann beim nächsten Backen mit eingeplant“, erklärt Ines Schmidt, die die Kunden in dem kleinen Laden am Roßweiner Kreuzplatz bedient, aber auch sonst immer mit helfender Hand zur Stelle ist.
Zwischen 900 und 1.000 Stollen produziert die Bäckerei pro Saison. Dass die Zahl zurückgeht, liege vor allem an der Hausbäckerei – also Kunden, die ihre Zutaten samt Familienrezept vorbeibringen und vom Bäcker backen lassen. Vor 30 Jahren seien das etwa 40 Kunden gewesen, die jeweils bis zu 20 Stollen anfertigen ließen. Heute seien davon noch etwa eine Handvoll übrig geblieben. Zu denen gehören aber auch die Kinder früherer Kunden, die diese Backtradition ihrer Eltern weiterführen.
Noch einen Lehrling ausbilden
Eine größere Kapazität hätte die Bäckerei auch nicht. Denn standen früher fünf Mann in der Backstube, hat Jens Schmidt heute noch einen Gesellen. Einen Lehrling hat er letztmalig 2019 ausgebildet. Handwerk ist bei jungen Leuten ohnehin nicht sonderlich beliebt, weil oft mit schwerer körperlicher Arbeit verbunden. Und der Bäcker muss dazu noch nachts um Zwei aufstehen. Immer wieder helfen aber Schüler der Lernförderschule als Praktikanten. Mit ihnen hat die Bäckerfamilie gute Erfahrungen gemacht. „Sie haben zwar Lerndefizite, sind aber sehr wissbegierig“, sagt Ines Schmidt.
Einmal würde Jens Schmidt noch einen Bäcker ausbilden. Der müsste aber im kommenden Jahr seine Lehre beginnen. Dann könnte er sie auch noch bei Schmidts abschließen, müsste sich aber anschließend bei einem anderen Unternehmen als Geselle bewerben. Denn eins steht für Ines und Jens Schmidt bereits heute fest: Im Jahr 2029 werden die Bäckerei und das Geschäft geschlossen. Dann geht eine 66 Jahre alte Tradition zu Ende und das Paar will seine Rente genießen.
Jens Schmidt hat die Bäckerei 1988 von seinem Vater übernommen, der sie 1963 gekauft hatte. Bereits in den vergangenen Jahren hat sich die kleine Firma dem Kaufverhalten der Kunden angepasst, das sich seit der Corona-Pandemie noch einmal verändert hat. Das Geschäft in der Roßweiner Innenstadt sei schlechter frequentiert.
Deshalb wurden die Öffnungszeiten am Kreuzplatz angepasst. Nach wie vor erhalten die Kunden bereits ab 5.15 Uhr frische Brötchen und der Laden ist – im Gegensatz zu manch anderem Bäcker – auch montags geöffnet, aber nur am Vormittag. Ebenso am Dienstag. Mittwochs bis freitags kommt eine Nachmittagsöffnungszeit von 14 bis 16 Uhr dazu.
Außerdem betreiben Schmidts seit 2009 einen Backshop im Roßweiner Edeka-Markt. Zuvor gab es einen solchen in der Konsumkaufhalle. „Die Leute fahren gezielter zum Discounter, dort gibt es viele Parkmöglichkeiten und längere Öffnungszeiten“, erklärt Ines Schmidt. Hinzukommt ein Verkaufsfahrzeug, das seit 2009 zweimal pro Woche auf den Märkten in Freiberg und Nossen Backwaren anbietet und an den anderen Tagen in Orten im Umkreis bis zu zehn Kilometern um Roßwein unterwegs ist – unter anderen auch zu Pflegeheimen.
Kosten für Zutaten erneut gestiegen
Egal wo, das Geschäft mit den Stollen läuft gerade erst richtig an. Manch einer, so weiß die Bäckerfamilie von Kunden, schneidet ihn nicht vor dem ersten Advent an, andere gar erst am 24. Dezember. Auch in diesem Jahr müssen die Kunden für das Weihnachtsgebäck etwas tiefer in die Tasche greifen. 21.20 Euro sind es für ein Kilo. Im vergangenen Jahr waren es noch 19.80 Euro. „Wir können die gestiegenen Preise für die Zutaten nicht kompensieren“, sagt Jens Schmidt. Besonders schlage die Butter zu Buche. Sie sei um 40 Prozent teurer geworden. Der Bäcker nennt aber auch die Mandeln und den Energiepreis.
Trotzdem wird Schmidt, der auch stellvertretender Obermeister der Bäckerinnung Meißen (zuständig für Meißen, Riesa und Döbeln) ist, wieder den Riesenstollen für den Roßweiner Weihnachtsmarkt backen. Der Rosinenstollen wird eine Länge zwischen fünf und sechs Metern haben und die Einnahmen – abzüglich der Kosten für die Zutaten – kommen einem gemeinnützigen Verein zugute. Welcher das sein wird, haben Schmidts noch für sich behalten.
Ergebnisse Stollenprüfung
- Am Stollentest der Bäckerinnung Meißen haben sich neun Bäcker aus der Region Döbeln beteiligt.
- Für die Auszeichnung mit dem Prädikat „Gold“ ist es erforderlich, dass dieselbe Art Stollen drei Jahre in Folge das Prädikat „Sehr gut“ erhält.
- Bäckerei Körner Großweitzschen: neun „Sehr gut“, davon sechs „Gold“
- Bäckerei Möbius Oederan/Waldheim: fünf „Sehr gut“, davon drei „Gold“
- Unser Bäcker Klipphausen/Döbeln: drei „Sehr gut“, davon ein „Gold“
- Bäcker Brade Ostrau: zwei „Sehr gut“, davon ein „Gold“
- Bäckerei Jung Oschatz/Döbeln: ein „Sehr gut, davon ein „Gold“
- Bäckerei Münch Leisnig: drei „Sehr gut“
- Bäckerei Schmidt Roßwein: zwei „Sehr gut“
- Bäckerei Zschieche Roßwein: zwei „Sehr gut“
- Bäckerei Nowack Grünlichtenberg: ein „Sehr gut“
Es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.