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Wie eine neue Maschine aus Zittau den Weltmarkt erobert

Der Maschinenbauer Küsters Textile hat erstmals seit Jahrzehnten wieder eine eigene Maschine konstruiert - und nutzte dazu beinahe vergessenes Wissen.

Lesedauer: 3 Minuten

Bild zeigt zwei Herren. Der eine ist Thomas Slansky und der andere Rolf Erik Schoeler.
Thomas Slansky (l.), Technischer Leiter bei Küsters Textile, und Benninger-Verkaufsleiter Rolf Erik Schoeler. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Von Markus van Appeldorn

Der Maschinenbauer Küsters Textile hat erstmals seit Jahrzehnten wieder eine eigene Maschine konstruiert – und nutzte dazu beinahe vergessenes Wissen.

Viel ist von der einst so stolzen Textilindustrie der Oberlausitz nicht geblieben. Gut, die Fabrikverkaufsläden von Frottana und Damino am Produktionsstandort Großschönau locken sogar Touristen. Aber die meisten Textil-Fabriken von damals sind heute nur noch Industrie-Ruinen oder völlig verschwunden. Der Zittauer Maschinenbauer Küsters Textile hält die Fahne der gut 150 Jahre währenden Firmentradition hoch. Seit 2007 unter dem Dach der Schweizer Benninger Group – ebenfalls ein Textilmaschinenbauer mit 150-jähriger Geschichte – fertigen die Zittauer Spezialmaschinen zur Textilveredelung. Und erstmals seit Jahrzehnten hat Küsters nun auch wieder eine eigene Maschine entwickelt, die bereits kurz nach ihrem Marktstart weltweit im Einsatz ist.

Bevor irgendein Textil zum Beispiel als Kleidungsstück beim Verbraucher landet, durchläuft es eine Vielzahl von Veredelungs- und Bearbeitungsprozessen. Manche davon sind technisch verzichtbar, dienen aber etwa der Qualitätssteigerung. Nur auf diese eine Art von Bearbeitungsmaschine kann kein Textilhersteller verzichten: die sogenannte Senge. Wie der Name sagt, entfernt diese Maschine unerwünschte Fasern durch Versengen, also Abflämmen. „Bei der Herstellung von Web- oder Strickstoffen stehen immer winzige Textilfasern heraus“, erklärt Thomas Slansky, Technischer Leiter bei Küsters Textile. Diese herausstehenden Fasern stören aber beim weiteren Veredelungsprozess. In der Senge werden Stoffbahnen also über eine Gasflamme geführt und so von den unerwünschten Fasern befreit.

Besinnung auf die DNA von Küsters

„Die Zittauer Maschinenfabrik (heute Küsters – Anm. d. Red.) war schon für über 100 Jahren europaweit führend beim Bau von Sengen“, sagt Benninger-Verkaufsleiter Rolf Erik Schoeler. Allerdings gab man dieses Segment in Zittau vor bereits über 20 Jahren auf. Doch vergessen war das Knowhow nicht völlig und darauf besann man sich nun bei Benninger. Die Gruppe produziert – auch in Zittau – das gesamte Maschinen-Sortiment, das Textilhersteller weltweit zum Veredeln brauchen – bisher bloß keine Sengen. „Von Kunden wurden wir gefragt, ob wir das auch können“, sagt Schoeler. Und Benninger wollte. „Der Standort Zittau hat Sengen im Blut. Das ist deren DNA“, so Schoeler.

Mit jahrzehntealter Technologie aber war kein Staat zu machen. „Wir hatten nur noch ein paar alte Blaupausen“, sagt Schoeler – aber da war eben auch jene Zittauer DNA. „Die Kollegen, die die Maschinen damals konstruiert und gebaut haben, sind natürlich nicht mehr im Unternehmen. Aber das Wissen wurde an die nächste Generation im Unternehmen weitergegeben“, sagt Thomas Slansky. Also machte man sich an eine Neukonstruktion nach modernsten Ansprüchen – vor allem solche an die Sicherheit. Schließlich arbeitet die Maschine mit einer offenen Flamme – einer der gefährlichsten Prozesse in der Textilfabrik. „Die Maschinen von früher dürfte man heute gar nicht mehr installieren“, sagt Schoeler. Auch in der Steuerung von Maschinen hat sich technisch mit den Jahren vieles geändert.

Weltweit ein Verkaufserfolg

Ganz nah an der eigenen Fabrikhalle fand Küsters auch einen Kunden, wo man einen Prototyp aufstellen und erproben konnte – bei Ploucquet in der Weinau. Das Unternehmen fertigt Futterstoffe für hochwertige Mode und technische Spezialtextilien. Für Ploucquet ist die Senge existenziell. „Die läuft da im Dreischichtbetrieb. Und wenn die Senge stillsteht, steht der ganze Betrieb still“, sagt Schoeler. Der weltweiten Kundschaft präsentierte Benninger die gut 500.000 Euro teure Maschine auf einer Messe in der indischen Hauptstadt Delhi im Dezember 2022. „Indien ist ein bedeutender Baumwollproduzent, deshalb war diese Messe ideal“, sagt Schoeler. Und ein voller Erfolg: „Die Interessenten haben uns quasi erdrückt.“

Seitdem wurde die Maschine bereits 20 Mal verkauft – nach Indien, Ägypten, Brasilien und Usbekistan. Die bisher einzige Maschine in Deutschland ist jene bei Ploucquet in Zittau. „Wir haben pro Jahr mit einem Absatz von maximal acht Stück gerechnet. Der Erfolg übertrifft unsere Erwartungen also bei weitem“, sagt Schoeler.

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