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Wie sächsische Ingenieure Betrieben die Digitalisierung beibringen

Dialog statt Nutzerhandbuch, Vorausberechnung statt Havarie: Beim Treffen "Hub Disrupt" zeigen sächsische Firmen, wie weit sie mit der Digitalisierung sind. Staatssekretär Kralinski sagt einen "neuen industriellen Frühling" voraus.

Lesedauer: 4 Minuten

Man sieht eine vortragende Person und deren Präsentation im Hintergrund.
Damit kein Fragezeichen bleibt: Die Dresdner Computerlinguistin Anne-Kathrin Schumann hilft, Nutzerhandbücher wirklich nutzbar zu machen - ein Thema bei der Tagung Hub Disrupt. © SZ/Georg Moeritz

Von Georg Moeritz

Dresden. Wer liest schon gerne Benutzerhandbücher von Maschinen? Die Nutzer tun es nicht gerne, die Roboter in den Fabriken können es nicht. Also beschäftigt sich die Dresdner Computerlinguistin Anne-Kathrin Schumann damit, die Technik-PDFs in verständliche Sprache zu übertragen und per Frage-Antwort-System nutzbar zu machen.

Schumann ist Mitgründerin des Dresdner Unternehmens T2K. In Chemnitz beschäftigt sich zugleich Christian Groß, Geschäftsführer von Inhub, mit „Fitnesstrackern für Maschinen und Prozesse“. Beide haben dasselbe Ziel: Abläufe in Betrieben zu verbessern, mit natürlicher und künstlicher Intelligenz. Wie weit sächsische Unternehmen dabei sind, zeigte sich am Freitag auf der Netzwerkveranstaltung Hub Disrupt in Dresden.

Anne-Kathrin Schumann hat sich zum Ziel gesetzt, Texte in Wissen zu verwandeln. Jeder hat wohl schon mal am Bildschirm Fragen an ein Computersystem eingetippt, um das Blättern im Nutzerhandbuch zu vermeiden. Schumann will solche Dialogsysteme weiterentwickeln: Nachfragen stellen, personalisierte Antworten je nach Profil des Fragenden bekommen, aus Bewertungen der Nutzer lernen. Das Unternehmen T2K arbeitet dabei mit Dualis GmbH IT Solution in Dresden zusammen.

Thomas Kralinski: Neuer Aufschwung steht vor uns

Mehr als 650 Partner sind inzwischen im Netzwerk des Smart Systems Hub Dresden aktiv, das die Tagung in der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen veranstaltete. Das Innovationszentrum bringt seit fünf Jahren die Akteure der Digitalbranche im Raum Dresden zusammen. Geschäftsführer Michael Kaiser hat nun für die nächsten fünf Jahre Sicherheit: Er bekam von Staatssekretär Thomas Kralinski einen Fördermittelbescheid über 4,2 Millionen Euro.

Kralinski sagte, ein neuer Wirtschaftsaufschwung stehe bevor. Während manche Politiker eine Deindustrialisierung Deutschlands befürchten, sagte der Staatssekretär in Dresden: „Unser Land steht vor einem neuen industriellen Frühling.“ Kralinski sagte, Sachsen bekomme in den nächsten drei bis fünf Jahren überdurchschnittlich hohe Investitionen, in einer Größenordnung von 30 Milliarden Euro.

Netzwerkveranstaltung mit vielen jungen Ingenieuren: Auf der Hub Disrupt in der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen trafen sich etwa 200 Forscher und Firmenvertreter aus dem Raum Dresden.© SZ/Georg Moeritz

Der Staatssekretär sagte, nicht nur die Mikrochipkonzerne Infineon und TSMC investierten groß in Sachsen, ausgebaut werde beispielsweise auch die Wasserstofftechnik. Fünf Milliarden Euro alleine aus Steuergeldern werden in digitale Infrastruktur fließen. Großforschungszentren für Astrophysik und Chemie entstehen. „Sachsen wird international jetzt ganz anders wahrgenommen“, sagte Kralinski. Als er im Februar TSMC in Taiwan besucht habe, galt das Interesse dort auch den Talenten und den engen Netzwerken aus Unternehmen und Forschungseinrichtungen in Sachsen.

Hub-Geschäftsführer Kaiser bestätigte: „Hier ist Musik drin.“ Zu den größten Arbeitgebern der Branche gehören Hub-Unterstützer wie SAP mit 1.000 Beschäftigten und Telekom MMS mit mehr als 1.500 Beschäftigten allein in Dresden. Michael Ameling, Chef des SAP Labs Dresden, nannte als ein Beispiel für Entwicklungsziele: Stellenbeschreibungen können mit Künstlicher Intelligenz (KI) formuliert werden.

MMS-Chef Pechmann: Datenangriffe enden oft in Fallen

MMS-Geschäftsführer Ralf Pechmann spricht schon von der nächsten Stufe der Digitalisierung als Industrie 5.0. Dafür könnten Millionen Daten aus der Produktion sinnvoll genutzt werden. Pechmann sagte, noch erlebe er allerdings „zu wenig Vernetzung und zu viel Überregulierung“. Doch in Fabriken der Zukunft nehme der Datenaustausch zwischen den Maschinen immer mehr zu – mit immer weniger Kabeln, weil 5G ohne Zeitverzögerung funktioniere.

MMS arbeitet laut Pechmann an einem digitalen Raum (Metaversum) für eine der größten Krankenkassen. Ein anderes Beispiel für die Arbeit der Software-Experten: ein System, mit dem Baggerfahrer trainieren können, ohne Schaden am Gerät zu verursachen. Etwa im Jahr 2036 soll eine komplett KI-gesteuerte Industrieproduktion möglich werden, die sich selbst überwacht und steuert. Pechmann setzte auch der Sorge vor Hackern etwas entgegen: Auch jetzt gebe es millionenfache Datenangriffe, aber ein großer Teil lasse sich über Fallen abfangen. Die Software-Experten sprechen von „honeypots“ (Honigtöpfen), die Hacker anlocken, ohne Daten freizugeben.

Kleinere sächsische Unternehmen stellten sich auf der Dresdner Tagung in Kurzvorträgen vor. Einige von ihnen helfen der Industrie damit, die Logistik zu vereinfachen und zu beschleunigen. Packwise in Dresden bietet laut Managerin Susanne Keller Tracker, die den Füllstand in Industriecontainern messen – und auch Daten wie Standort und Temperatur. Chemieunternehmen können damit ihre Lieferketten transparent machen.

Gesucht: Nachwuchs mit „Bock auf das neue Zeitalter“

TIQ Solutions in Leipzig hilft laut Berater Jonas Höne bei der „predictive maintenance“, also bei der vorausschauenden Instandhaltung, die Havarien vorbeugen kann. Dazu sammeln Sensoren an Industrierobotern Daten wie Druck oder Temperatur. Wer sie auswertet, bekommt Hinweise auf Verschleiß. In einer Autofabrik hat TIQ Kleberoboter untersucht, die den Dachhimmel mit der Karosserie verbinden. Zunächst zeigte sich eine Drucküberschreitung an den Klebestellen, zwei Wochen später wurde der Dosierer undicht, sodass das Band angehalten werden musste. Ein solcher Ausfall lässt sich künftig bei guter Datenauswertung verhindern.

Bei Inhub in Chemnitz arbeiten laut Geschäftsführer Christian Groß ebenfalls Experten für Zustandsüberwachung. Das Unternehmen sucht laut Internetseite Leute, die „voll Bock drauf haben, Unternehmen in das neue industrielle Zeitalter der Industrie 4.0“ zu switchen. Deltec Electronics in Dresden mit 60 Mitarbeitern fertigt Leiterplatten mit mechanischen Anbauteilen und auch Kabel. 1.000 verschiedene Produkte sind es jedes Jahr, sagte Operations-Manager Marcel Birke. Er weiß, dass in Fabriken wie auf Straßen viele Kisten unnötige Wege hin und her nehmen, die sich vereinfachen ließen. Deltec hat selbst einen Weg dafür gefunden, manchmal können elektronische Tracker helfen.

Cloud & Heat in Dresden schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe, wenn es um die Abwärme großer Rechner geht: Kühlen der Technik und Energie für andere nutzbar machen zugleich. Entwicklungsingenieur Hauke Beer stellte die Wasserkühlung für Server vor. In Frankfurt am Main hat das Dresdner Unternehmen ein Rechenzentrum im ehemaligen Hochhaus der Zentralbank und liefert Wärme an die Nachbarn. Auf Nachfragen aus dem Publikum zur Sicherheit der Wasser-Technik in der Elektronik sagte Beer, manche Geräte seien seit zehn Jahren im Feld und hielten dicht.

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