Der Vorschlag einer Sonderwirtschaftszone für die Lausitz ist nicht neu. Vermutlich ließ sich Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer von der Frage einer Besucherin des Bürgergesprächs im Juni dieses Jahres in Hoyerswerda etwas überrumpeln, als er ihn machte – wie jeder seiner Amtsvorgänger vor ihm.
Auch Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, findet es "verständlich und richtig", dass sich die Landesregierung Gedanken macht, wie sie auf den Schock reagieren will, der mit dem Braunkohleausstieg auf die Lausitz zukommt. "Aber die Steuerpolitik ist nicht das richtige Instrument", betonte der Ökonom im Sommer bei einem Besuch der Dresdner Ifo-Niederlassung vor Journalisten. Sonderwirtschaftszonen sind räumlich begrenzte Gebiete innerhalb eines Landes, in dem rechtliche und steuerliche Erleichterungen für Investoren bestehen.
Steuern sparen, aber keine Produktion aufbauen
Solche Zonen bergen laut Fuest die Gefahr, dass sie viele sogenannte Briefkastenfirmen anlocken, die dort ihren Sitz anmelden, um Steuern zu sparen, aber keine Produktion aufbauen. Vom durch die Ansiedlungen generierten Steueraufkommen hätte die Lausitz direkt nichts, denn die Einnahmen aus der Körperschaftssteuer werden zwischen Bund und Ländern geteilt. "Die Lausitz hat kein Problem zu weniger Steuereinnahmen, sondern, dass die Perspektiven für künftige Beschäftigung fehlen", so Fuest. Joachim Ragnitz, Vize-Chef der Dresdner Niederlassung des Ifo-Instituts ergänzte, dass eine Sonderwirtschaftszone auch nicht mit den Beihilferichtlinien der Europäischen Union (EU) vereinbar wäre. Auch er lehnt Steuerermäßigungen ab wegen der breiten Mitnahmeeffekte bei den schon vorhandenen Firmen, die dann diese Ermäßigungen in Anspruch nehmen wollen. "In der Lausitz geht es doch darum, etwas Neues aufzubauen und das erreicht man so nicht", sagte Ragnitz.
Unternehmen müssen Ideen finden
Beide Wirtschaftsforscher betonten, es sei klüger, die Stärken in der Region zu unterstützen. Ein Konzept für ein neues Wirtschaftsprofil und neue Geschäftsmodelle könne jedoch nicht von der Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" vorgegeben werden, sondern müsste von Unternehmen und Initiativen aus der Lausitz selbst kommen.
Entwickelt werden müsste die Idee aus den Stärken der Region. Diese sieht Ragnitz in der Energieforschung, die sich auch auf erneuerbare Energien erstrecke, in der Ernährungswirtschaft und im Maschinenbau. Sachsen sollte dem Beispiel Brandenburgs folgen und um diese Stärken herum Cluster definieren und aufbauen. Ragnitz ist mit dem bisherigen Ideenfindungsprozess für die Lausitz nicht zufrieden. "Es gibt zu viele Institutionen und Initiativen, die nicht miteinander kooperieren. So kommt man nicht weiter", meinte der Experte für die Wirtschaftsentwicklung in Ostdeutschland. Und nun verschiebt die Politik die Entscheidungsfindung in eine Kommission, das sei auch nicht sehr hilfreich.
Die Politik kann laut Ragnitz nur begrenzt in den anstehenden Strukturwandel in der Lausitz eingreifen, indem sie zukunftsfähige Vorhaben ausmacht und diese gezielt fördert. Doch die Anträge auf Förderung müssten von den Unternehmen kommen. Ein möglicher Ansatz wäre der Aufbau eines Clusters für Energieforschung rund um die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg. Diese habe sich schon auf Energieforschung konzentriert, betonte Ragnitz. Nun müsste man versuchen, sehr gute Forscher dorthin zu bringen und für den Forschungsstandort international zu werben. Auch Ragnitz‘ Chef hält dies für den besseren Weg als die Errichtung einer Sonderwirtschaftszone. Als Vorbild, wo der Strukturwandel gelungen sei, nannte der Ifo-Präsident seine Heimat Ostwestfalen. "Dort hat man viel erreicht durch die Ansiedlung von Hochschulen", betonte Fuest. Allerdings gab es dort auch immer ein starkes Unternehmertum, schob er noch nach.
Von Nora Miethke
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