Von Dirk Hein
Dresden. TSMC kommt in die Landeshauptstadt. Der Spatenstich für den Halbleiter-Hersteller ist für 2024 vorgesehen. Wenn alles gut läuft, könnte ab Ende 2027 die Produktion starten. Zehn Milliarden Euro werden investiert. Auch Infineon wächst und erweitert sein Werk. Fünf Milliarden Euro werden verbaut. 1.000 neue Arbeitsplätze entstehen bis Herbst 2026. Doch das sind nur Beispiele. Die Industrie selbst spricht von bis zu 25.000 neuen Jobs im Jahr 2035. Wo schnell Wohnungen gebaut werden können – und wie sich der ÖPNV entwickeln muss.
Wo können neue Wohnungen entstehen?
Im Norden und in der Mitte der Stadt gibt es auf verfügbaren Grundstücken ein Potenzial von 16.400 Wohnungen, die schnell oder mittelfristig gebaut werden könnten. Allein im Norden der Stadt sind dies 7.400 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern und 600 Einfamilienhäuser.
Laut einer internen Übersicht im Rathaus sind drei Bebauungspläne im Dresdner Norden „in Bearbeitung“. Konkret können an der Karl-Marx-Straße 140 Wohnungen, auf der Hufewiese in Alttrachau 240 und in der Bergsiedlung in Lausa 18 weitere Wohnungen entstehen. Weitere Potenzialfläche liegen an der Boltenhagener Straße (45), in Mickten (500) und in Trachau (knapp 20).
Besonders im Fokus steht zudem das große Wohngebiet in Kaditz/Mickten, also der Bereich zwischen Elbepark und Flutrinne. Laut Rathaus können dort insgesamt 2.300 neue Wohnungen entstehen. Die wichtigen Bau-Beschlüsse für zwei Projekte (130 Wohnungen) nahe der Flutrinne sollen Ende 2025 erfolgen. Die Bau-Pläne für zwei weitere Wohngebiete mit über 700 Wohnungen sollen 2027 und 2028 folgen.
Rechnet man die großen Innenstadt-Projekte an der Könneritzstraße, der Lingnerallee, im Jägerpark, an der Hafencity und am Gleisbogen Hansastraße dazu, gibt es in der Alt- und Neustadt weitere Potenzialflächen für 5.650 Wohnungen. Zudem kann im Umland gebaut werden. Von Radebeul über Moritzburg, Ottendorf-Okrilla und Radeberg können 4.200 weitere Wohnungen, knapp 2.300 davon als Einfamilienhaus, entstehen.
Kann überhaupt so schnell gebaut werden?
Dennoch bleibt gerade aktuell eine Sondersituation. Nahezu alle noch nicht begonnenen Bauprojekt stocken. „Deutschlandweit sind wir meilenweit davon entfernt, ausreichend Wohnungen zu schaffen. Ein Bauboom ist nicht absehbar“, sagt OB Dirk Hilbert (FDP). Trotzdem sieht Hilbert keine kurzfristigen Engpässe in Dresden. „In den vergangenen Jahren ist in der Innenstadt viel gebaut worden. Wir haben in der Inneren Altstadt über zehn Prozent Leerstand, der kann nun genutzt werden.“
Auch das geplante Zweckentfremdungsverbot von Mietwohnungen als Ferienwohnung werde helfen. Zudem seien in Dresden in den letzten 15 Jahren, mit der Ausnahme der Corona-Zeit, jedes Jahr bis zu 6.000 neue Arbeitsplätze entstanden. Die Stadt und das Wohnungsangebot wachsen seit Jahren kontinuierlich.
„Wir müssen aber aus dem Henne-Ei-Prinzip kommen und trotz hoher Baupreise weiter bauen. Wir führen vielfältige Gespräche, um den Investoren die Angst zu nehmen, in Dresden am Markt vorbei zu investieren“, sagt Dirk Hilbert. Er habe keine Sorge, „dass wir unser industrielles Wachstum nicht umsetzen können, weil es an Wohnungen fehlt.“ Der OB nimmt aber auch die großen Hightech-Firmen in die Verantwortung. „Ohne Abnahme-Garantien oder Werkswohnungen werden wir womöglich unter Bedarf bauen und auf einen massiv überhitzten Wohnungsmarkt zusteuern.“
Wie will Dresden neue Wohngebiete und mehr Schulen bauen?
Beim Bau neuer Wohnungen schaut Dresden zudem ins Umland. „Für alle Gemeinden mit einem Arbeitsweg von bis zu 45 Minuten in den Dresdner Norden prüfen wir, welche Flächen dort zur Verfügung stehen und wie diese entwickelt werden können“, so der OB. Dresden werde eine Entwicklungskonzeption für die Gesamtregion in Auftrag geben. „Wir wollen auf Augenhöhe miteinander reden. Ich habe in diesem Zusammenhang den Freistaat gebeten, die Federführung zu übernehmen. Das hat die Staatskanzlei angenommen.“ Als Auftakt dazu ist im März eine Konferenz von Dresden mit den Umlandgemeinden geplant.
Der Plan der Stadt: Noch gehen viele Umlandgemeinden davon aus, zu schrumpfen. Das spiegelt sich in deren Plänen wider, kaum noch neue Schulen oder Wohngebiete zu bauen. „Mit Blick in die Vergangenheit war das richtig. Es beachtet aber nicht, dass eine starke Arbeitsmigration kommen wird“, so Hilbert weiter. Die neue Entwicklungskonzeption soll diese Grundlagen neu bestimmen.
Was ist bei Bus und Bahn geplant?
Verkehrsbürgermeister Stephan Kühn (Grüne) plant einen deutlichen Ausbau des ÖPNV in Richtung Dresdner Norden. „Wir wollen die Beschäftigten klimafreundlich aus den Wohnquartieren zu den Fabriken bringen, zum Beispiel aus den neuen Stadtquartieren in Mickten.“ Die Autobahn sei heute schon überlastet, das Straßennetz nicht beliebig erweiterbar. „Möglich wären direkte Schnell- oder Werksbus-Verbindungen, ergänzt vom Ausbau des Regional- und S-Bahnverkehrs im Umland.“
Neue, leistungsfähige ÖPNV-Infrastruktur könnte mit der Erweiterung der Straßenbahnstrecke der Linie 8 in den Airportpark entstehen. „Deren Machbarkeit wollen wir zügig untersuchen lassen. Klar ist aber schon jetzt: Die Umlandgemeinden und Dresden benötigen dafür eine finanzielle Unterstützung, um zusätzliche Angebote und Infrastruktur finanzieren zu können.“
Erste Überlegungen werden immer konkreter. Pro Schichtwechsel in den Fabriken sind mindestens zehn überlange Gelenkbusse in zwei Expresslinien sind denkbar. Eine könnte vom Neustädter Bahnhof, vorbei an der Hafencity, die neuen Wohngebiete in Kaditz/Mickten ansteuern, um über die Autobahn den Flughafen und die Hightech-Standorte zu erreichen. Eine weitere Linie verbindet die Wohnstandorte zum Beispiel am Jägerpark mit dem Norden. Finanziert werden soll das durch die Unternehmen.
Ebenfalls angedacht ist ein für alle offener Direktbus von Nickern, durch Striesen über die Waldschlößchenbrücke in den Norden der Stadt. Fahren soll der teilweise alle zehn Minuten. Denkbar wäre der Einsatz straßenbahnähnlicher Schnellbussysteme.
Braucht Dresden eine Verlängerung der Linie 8?
Aus Sicht von DVB und Rathaus soll zudem „möglichst bis Betriebsbeginn“ bei TSMC die Verlängerung der Linie 8 ab Hellerau bis zum Airportpark und weiter bis zum Standort von Global Foundries inklusive neuer Gleisschleife gebaut sein. Diese Umsetzung würde jedoch „nur zulasten anderer wichtiger Straßenbahnbauprojekte möglich sein.“
Nach ersten Vorüberlegungen soll das Gleisbett etwa auf Höhe der Rähnitzer Allee auf die Wilschdorfer Landstraße treffen. Erste Ideen sehen vor, die vierspurig ausgebaute Straße „in Teilen“ für die neue Straßenbahn-Trasse zu nutzen. Möglich machen das sinkende Kfz-Mengen. Teilweise fahren dort statt 18.500 nur noch 14.800 Autos pro Tag.
Zwei „Walkways“, also Förderbänder für Fußgänger vergleichbar wie auf großen Flughäfen, sollen weiter entfernte Werkseingänge schnell erreichbar machen. „Die Verlängerung der Linie 8 halte ich für wichtig, sie schafft mit kleinem Aufwand eine starke Auslastung am Endpunkt und ermöglicht eine noch stärker ÖPNV-Nutzung“, sagt Hilbert.
Vieles davon könnte bis 2035 komplett oder Großteils umgesetzt sein. Auch eine Taktverdichtung der S-Bahn ist denkbar. Vorausgesetzt ist eine Zustimmung der Politik und eine ausreichende Finanzierung. Mehr Zeit braucht die Umsetzung der S-Bahnlinie „S7plus“. Angedacht ist eine Nord-Süd-Bahn von Königsbrück über Klotzsche, Dresden Mitte, den neuen S-Bahn-Halt an der Nossener Brücke bis nach Freital und Tharandt.