Von Irmela Hennig
Boxberg. David Kube hat es vor Augen. Der 26-Jährige aus Gablenz bei Weißwasser kann sehen, wie sein neues Arbeitsfeld entsteht. In Boxberg. Dort, wo der Energieversorger Leag derzeit noch Braunkohle fördert und verstromt. Stichworte wie Baufeldfreimachung und Planung fallen, wenn David Kube von der Gegenwart mit Blickrichtung Zukunft spricht. Denn in der Nähe des Kraftwerks von Boxberg entsteht noch dieses Jahr ein Solarpark. 23 Hektar groß. Auf einer ehemaligen und inzwischen sanierten Tagebaufläche. Die Anlage könnte bis zu 26.000 Megawattstunden Strom im Jahr liefern. Rein rechnerisch könnten damit um die 8.500 Haushalte ein Jahr lang mit Strom versorgt werden. Auch eine sogenannte BigBattery, ein Strom-Großspeicher mit 137 Megawattstunden Kapazität, ist hier in Vorbereitung. Später soll am Standort das erste Wasserstoff-Flexibilitätskraftwerk entstehen. Nicht, wie derzeit vielerorts angedacht, zunächst auf Erdgas-Basis. Sondern von Anfang an betrieben mit grünem Strom und grünem Wasserstoff. „Der Standort hat eine gewaltige Entwicklung vor sich“, sagt denn auch Leag-Pressesprecher Thoralf Schirmer.
David Kube will diese mitgestalten. Der junge Mann, der in seiner Freizeit Eishockey spielt, investiert darum seit seiner Ausbildung zum Elektroniker für Automatisierungstechnik viel Zeit, um sich fortzubilden, weitere Abschlüsse zu machen. Nach der Lehre bei der Leag kam die unbefristete Anstellung. Und parallel zum Job die erste Weiterbildung im Bereich Elektrotechnik – David Kube wurde staatlich geprüft zum Meister seines Fachs. Arbeitet nun in der Leitwarte, dem Herzstück eines Kraftwerks. Hier kümmert er sich beispielsweise mit darum, dass einem Monteur bei Reparaturen an Rohren kein Dampf oder heißes Wasser entgegenkommt oder dass Stromleitungen keinen Strom führen, wenn daran gewerkelt wird. Zugleich entwickelt er Konzepte mit für die spätere Betriebsführung erneuerbarer Anlagen. Inzwischen hat der Oberlausitzer einen Lehrgang zum Experten für Wasserstoffanwendungen abgeschlossen. Lernt weiter, um sich für die Transformation fit zu machen. Absolviert seit vergangenem Juni ein Fernstudium zum Wirtschaftsingenieur, Schwerpunkt erneuerbare Energien.
Auf die setzt man bei der Leag – einem Lausitzer Schwergewicht mit derzeit um die 7.000 Beschäftigten. Schon kurz nachdem der Kohleausstieg Gesetz wurde, hat die Leag verkündet, in der Lausitz bleiben zu wollen. Als Arbeitgeber und Energieerzeuger. Bis zum offiziellen Kohle-Ende 2038, an dieser Jahreszahl hält man hier bislang fest, entstehen neue Geschäftsfelder. Gigafactory ist das Stichwort. Zunächst will das Unternehmen rund 7.000 Megawatt Leistung an Wind- und Sonnenstrom installiert haben. Bis 2040 könnte es doppelt so viel werden. Hinzu kommen Wasserstoff-Kraftwerke. David Kube möchte Teil der Entwicklung sein. In dem Feld, das er jetzt mitplant, gehöre er zur „Schnittstelle zu den künftigen Anlagen“. Es gehe darum, das Neue in die Leittechnik einzubinden. Spannend sei das.
Und Tradition hat es ja auch – schon David Kubes Großmutter hat im Kraftwerk gearbeitet, als Sekretärin. Sein Bruder hat hier gelernt; er arbeitet inzwischen aber in einem Pumpspeicherwerk. Für David Kube selbst, der als Schüler Praktikum beim Energieversorger gemacht hatte, war die Leag der Wunsch-Ausbildungsplatz. „Wegziehen wollte ich nicht. Ich bin in der Lausitz verwurzelt. Familien, Freunde, der Sport – alles ist hier“, sagt der junge Mitarbeiter. Abgeraten vom Berufsweg „Kraftwerk“ habe ihm daheim niemand. Als er vor zehn Jahren in Boxberg gestartet ist, sei der Kohleausstieg noch kein großes Thema gewesen. Als es 2019 dann so weit war, „konnte man sehen, das Unternehmen macht sich Gedanken“, so Kube. Und er ist sicher: „Als junge Fachkraft habe ich Chancen, meinen Job zu behalten.“ Der Wunsch, sich weiterzubilden, den habe er selbst gehabt. Die Leag mache da aber auch vieles möglich.
Hohe Bereitschaft
Die Ausbildung des Unternehmens ist inzwischen konzentriert am Standort Schwarze Pumpe. Die Bewerberzahlen seien gut. „Bis jetzt haben wir keine Mühe, die Ausbildungsplätze zu besetzen“, sagt Thoralf Schirmer. Auch wenn es demografisch bedingt im Vergleich zu früheren Jahren etwas weniger Interessenten gebe.“ Gute Zukunftsaussichten habe beispielsweise der Bereich rund ums Thema Elektronik, so Thoralf Schirmer. Es gehe aber auch um große Verantwortung. „In so einer Anlage rächt sich jeder Fehler.“ Anspruchsvoll, aber hochinteressant, nennt David Kube seinen Beruf. „Ich bin froh, dass ich das gemacht habe. Und froh über jede Weiterbildung.“
Die Bereitschaft dafür sei bei den Leag-Mitarbeitern generell hoch, so Pressesprecher Schirmer. „Wer im Bereich Technik und Technologie tätig ist, ist daran aber auch gewöhnt.“ Nun also geht es um Wasserstoff. 15 Männer und Frauen haben kürzlich jenen Kurs zum Fachexperte für Wasserstoffanwendungen abgeschlossen. Gelaufen ist der über den Qualifizierungsverbund in der Lausitz für Erneuerbare Energien, kurz Qlee. Dort sind derzeit 14 Unternehmen, darunter die Leag, Mitglied. Im ersten Wasserstoffkurs seien rund die Hälfte der Teilnehmer Leag-Mitarbeiter gewesen, wie ein Qlee-Sprecher sagte. Inhaltlich geht es unter anderem um die Herstellung von Wasserstoff und die Einsatzmöglichkeiten der entsprechenden Technologie.
Für Marion Richter, Leiterin der Bautzener Arbeitsagentur, ist lebenslanges Lernen das Stichwort, um sich Chancen am Arbeitsmarkt zu sichern. Auch wenn sich die Personalnachfrage aufgrund der lahmenden Konjunktur abgekühlt habe, sieht sie für Fachkräfte gute Möglichkeiten. Das gelte auch für Leag-Mitarbeiter, die im Zuge des Kohle-Endes eventuell ihren Job verlieren.
Zudem: Prognosen zufolge gehen allein dem Oberlausitzer Arbeitsmarkt bis 2040 rund 56.500 Menschen verloren. Es werde also auch künftig Engpässe geben, so Marion Richter. Aus- und Weiterbildung seien darum neben der Zuwanderung von Fach- und Arbeitskräften wichtig.